Nacht der Hexen
aus Leibeskräften, aber Cortez brachte es fertig, mich festzuhalten, so dass ich hinsehen musste. Der Rauch zuckte und pulsierte und wurde zu etwas, das einem Drachen ähnelte – mit Reißzähnen, einer gespaltenen Zunge und flammenden Augen. Dann verschwand der Drache und wurde wieder zu dem Dämonenhund, der geiferte und zerrte wie an einer zu kurzen Leine.
»Eine Vision«, sagte er. »Eine Täuschung. Kaufhausmagie. Funktioniert wie ein Stolperdraht. Gabriel Sandford hat sie an allen Ausgängen installiert. Also, Savannah ist in Sicherheit und wartet auf uns –«
Ich stieß ihn fort und rannte in die entgegengesetzte Richtung. Vor mir trat eine Gestalt aus einer Türöffnung. Ich wurde nicht langsamer, streckte nur die Hände vor, um denjenigen aus dem Weg zu schieben. Dann drehte er sich zu mir um. Es war ein Mann, ein nackter Mann; seine Haut leuchtete in dem fahlen Licht. Die Schädeldecke fehlte. Sein Oberkörper war in Form eines Y aufgeschnitten, von den Schultern zur Brust und dann zum Unterbauch hinunter. Ich konnte Rippen sehen – aufgesägte Rippen. Als er einen Schritt nach vorn tat, fiel etwas aus seiner Brust und landeteklatschend auf dem Boden. Er sah mich an; seine Lippen öffneten sich. Ich schrie.
Cortez’ Hände schlossen sich um meine Taille. Er hob mich hoch und beförderte mich den Gang entlang, halb getragen, halb gezerrt. Als wir die Stelle erreichten, an der wir zuvor schon miteinander gekämpft hatten, erschien der Drache. Ich schloss die Augen und wehrte mich aus Leibeskräften.
Sekunden später spürte ich einen plötzlichen Luftzug, öffnete die Augen und stellte fest, dass Cortez die Ausgangstür aufgestoßen hatte. Hinter uns knurrte und fauchte der Dämonenhund ins Leere. Cortez wuchtete mich hoch und trug mich zur Tür hinaus. Erst als wir draußen auf dem Parkplatz standen, setzte er mich ab.
»Wenn du da rüberschaust«, sagte er keuchend, »siehst du Savannah in deinem Auto sitzen.«
Sobald meine Füße den Boden berührten, schob ich ihn fort und sah über den Parkplatz des Krankenhauses hin. Ich sah mein Auto – und ich sah niemanden darin sitzen.
»Verdammt noch mal!«, sagte er und sah sich um, während er sich das Blut von den Furchen wischte, die ich in seiner Wange hinterlassen hatte. »Wo zum Teufel steckt sie?«
»Ich schwör’s dir, wenn du ihr irgendwas getan hast –«
»Da«, sagte er, während er sich in Bewegung setzte. »Savannah! Ich hab dir doch gesagt, du sollst im Auto bleiben.«
»Und du hast dir eingebildet, ich höre drauf?«, gab Savannah irgendwo hinter mir zurück. »Du sprichst einen erbärmlichen Schließzauber, Magier. Hey, Paige, komm mal schnell mit. Das musst du sehen.«
Sie stürzte davon; ich sah gerade noch ihr T-Shirt verschwinden. Ich rannte ihr nach, und Cortez trabte hinterher. Als wir um die Ecke kamen, sahen wir sie bei einer weiteren Türstehen. Bevor ich sie aufhalten konnte, verschwand sie ins Innere. Ich fing die Tür ab, bevor sie zufiel. Savannah stand drinnen, den Rücken zu uns.
»Pass auf«, sagte sie.
Sie schwenkte die Hand vor sich in der Luft herum. Eine Sekunde lang passierte nichts. Dann begannen graue Partikel aus allen Richtungen heranzuschweben, bis sich über Savannahs Kopf eine lockere Kugel aus ihnen gebildet hatte. Ich wappnete mich für das nächste fauchende Ungeheuer. Stattdessen ordnete sich der graue Staub zu einem Frauengesicht; dann begannen Teile davon abzufallen, und ein grinsender Schädel erschien. Der Mund öffnete sich zu lautlosem Gelächter, und der Schädel drehte sich dreimal und verschwand dann.
»Cool, was?«, sagte Savannah. »Magierzeug. Kannst du das auch, Lucas?«
»Kaufhausmagie«, sagte er keuchend, während er noch zu Atem zu kommen versuchte.
Sie grinste ihn an. »Du kannst’s nicht, stimmt’s? Ich wette, ich könnte.« Sie schwenkte den Arm und löste den Zauber noch einmal aus. »Das ist ja so cool. Wenn man an die Tür kommt, geht es los. Sie sind an allen Türen. Du solltest die ganzen Bullen am Haupteingang sehen.« Sie sah mir zum ersten Mal ins Gesicht. »Du siehst nicht so toll aus, Paige. Alles okay?«
»Leah … Sandford«, brachte ich heraus; ich war vor lauter Panik immer noch außer Atem. »Wir müssen weg hier. Bevor sie –«
»Die sind längst weg«, sagte Savannah. »Als ich ins Freie gekommen bin, hab ich Leah gesehen. Ich hab gerade losrennen wollen, aber dann hat Lucas mich gepackt. Ich hab ihm einegeknallt und –« Sie unterbrach sich und
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