Nacht der Leidenschaft
aufzuhellen. Der Ärger war verschwunden. „Was für eine tüchtige Frau Sie sind“, sagte er leise ohne eine Spur von Spott.
Sie fing seinen herzlichen, mitfühlenden Blick auf und ahnte, dass er Bescheid wusste – über die letzten kostbaren Jahre ihrer Jugend, die sie der Pflicht und Liebe geopfert hatte, über die drückende Last der Verantwortung und die wenigen, gezählten Stunden, in denen sie lachen, flirten und sorglos sein konnte.
Ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Ihre Reaktion darauf war äußerst beunruhigend. Etwas Spitzbübisches, Verspieltes lag darin, dass sie verwirrte. Sämtliche Männer ihres Bekanntenkreises, vor allem die erfolgreichen, waren so ernst. Wie sollte sie nur mit diesem Jack Devlin umgehen?
Grundlos machte sie sich an irgendetwas zu schaffen, suchte nach Worten, nach einer Ablenkung, nur um dieses gefährliche Schweigen zwischen ihnen zu brechen. „Was hat Mrs. Bradshaw über Lord Tirwitt geschrieben, das ihn so in Harnisch brachte?“
„Da ich Ihren Gedankengängen folgen kann, meine Liebe, überrascht mich Ihre Frage nicht.“ Er ging zum gegenüberliegenden Bücherregal und suchte die aneinandergereihten Bände ab; schließlich zog er ein in Leinen gebundenes Buch heraus und reichte es ihr.
„Die Sünden der Madame B.“, las Amanda laut und zog die Stirn kraus.
„Schenke ich Ihnen“, sagte er. „Die Missgeschicke des Lord T. finden Sie in Kapitel sechs oder sieben. Sie werden sofort verstehen, wieso er ausreichend Gründe für einen Mordversuch hatte.“
„Ich kann diesen Schmutz nicht mit nach Hause nehmen“, protestierte Amanda und blickte auf die vergoldeten Schnörkel am Deckel. Viel zu schnell entdeckte sie, dass die einzelnen Vignetten bei genauerem Hinsehen obszöne Darstellungen verbargen. Sie blickte entrüstet auf. „Was bringt Sie überhaupt auf den Gedanken, ich würde so ein Buch lesen?“
„Zu Informationszwecken, natürlich“, meinte er unschuldig. „Sie sind doch eine Frau von Welt, oder? Abgesehen davon ist dieses Buch gar nicht mal so unanständig.“
Dies sagte er mit samtweicher Stimme, sodass es an ihrem Nacken aufregend kribbelte. „Wenn Sie etwas wirklich Dekadentes lesen wollen, könnte ich Ihnen Bücher zeigen, die Ihnen einen Monat lang die Röte ins Gesicht trieben.“
„Das glaube ich Ihnen aufs Wort“, gab sie kühl zurück, während ihre Handflächen feucht wurden und ihr ein heißer Schauer den Rücken hinaufkroch. Sie verfluchte sich innerlich. Jetzt konnte sie das verdammte Buch nicht zurückgeben. Devlin würde sonst den verräterischen Abdruck sehen, den ihre feuchten Hände auf dem ledernen Buchdeckel hinterlassen hatten. „Ich bin fest überzeugt, Mrs. Bradshaw hat ihren Beruf ganz ausgezeichnet geschildert. Vielen Dank für das Informationsmaterial.“
Die tiefblauen Augen blitzten schalkhaft au£ „Das ist doch das Mindeste, was ich tun kann, nachdem Sie Lord Tirwitt auf so gekonnte Art schachmatt gesetzt haben.“
Sie hob die Achseln, als ob ihr Eingreifen ohne Bedeutung sei. „Hätte ich den Mord an Ihnen nicht verhindert, würde ich meine fünftausend Pfund nicht bekommen.“
„Dann nehmen Sie mein Angebot also an?“
Amanda zögerte, nickte und zog die Stirn in kleine Falten. „Wie mir scheint, haben Sie Recht behalten, Mr. Devlin. Man kann mich kaufen.“
„Nun …“ Er lachte lautlos. „Vielleicht tröstet Sie die Tatsache, dass Sie teurer als die meisten sind.“
„Übrigens möchte ich auf keinen Fall herausfinden, ob Sie so tief sinken und einen Autor erpressen könnten, für Sie zu schreiben.“
„Für gewöhnlich liegt mir so etwas fern“, versicherte er augenzwinkernd. „Aber noch nie war mir so viel an einem Autor gelegen.“
Amanda umfasste das Buch fester, als er auf sie zukam – besser gesagt, auf sie zusteuerte, mit langsamen, zielstrebigen Schritten, die ihre Nerven plötzlich in höchste Alarmbereitschaft versetzten. „Mein Beschluss, mit Ihnen zu arbeiten, gibt Ihnen kein Recht, dich Freiheiten herauszunehmen, Mr. Devlin.“
„Selbstverständlich.“ Devlin trieb sie ungerührt in die Enge, bis sie mit dem Rücken an einem der Regale lehnte und den Hinterkopf gegen die ledernen Buchrücken drückte. „Eigentlich habe ich nur die Absicht, unsere Abmachung mit einem Handschlag zu krönen.“
„Mit einem Handschlag?“, wiederholte sie unsicher. „Das … das ist eine gute Idee, glaube ich …“ Sie schnappte nach Luft und biss sich auf die
Weitere Kostenlose Bücher