Nacht der Leidenschaft
Augenlider flatterten überrascht.
Vorsichtig nahm sie das blutgetränkte Hemd von der Wunde und betupfte sie mit dem Whiskey getränkten Taschentuch.
Devlin fuhr bei der ersten Berührung zusammen und stieß den Atem zischend aus. Behutsam betupfte Amanda den Schnitt ein zweites Mal. Er stieß einen üblen Fluch aus und zuckte vor dem alkoholgetränkten Tuch zurück.
Amanda reinigte die Wunde unbeirrt weiter. „In meinem Roman würde der Held den Schmerz überspielen, auch wenn er noch so groß wäre.“
Aber ich bin kein Held“, knurrte er, „und das brennt wie die Hölle! Verdammt noch mal, könnten Sie nicht etwas vorsichtiger sein?“
„Körperlich sind Sie wie ein Held gebaut“, stellte sie fest. „Doch scheint Ihre charakterliche Struktur weniger beeindruckend zu sein.“
„Schließlich können nicht alle Ihren lauteren Charakter haben, Miss Briars.“ Dies sagte er mit unüberhörbarem Sarkasmus.
Verärgert klatschte Amanda das Ganze mit Whiskey befeuchtete Taschentuch auf die Wunde, worauf er einen Schmerzenslaut ausstieß; die zu Schlitzen zusammengezogenen blauen Augen dürsteten nach Rache.
Plötzlich wurden beide von einem erstickten Laut abgelenkt. Gemeinsam blickten sie auf und entdeckten Oscar Fretwell in der offen stehenden Tür. Zuerst dachte Amanda, der Anblick des verwundeten Devlin hätte ihn erschreckt. Das verhaltene Zucken um die Mundwinkel erweckte jedoch den Eindruck, als ob er … lachte? Was, zum Teufel, fand er nur so komisch?
Der Geschäftsführer beherrschte sich meisterhaft. „Ich … ähm … habe Verbandszeug und ein frisches Hemd für Sie gebracht, Mr. Devlin.“
„Haben Sie in Ihren Geschäftsräumen immer Kleidung zum Wechseln, Mr. Devlin?“, fragte Amanda erstaunt.
„O ja“, sagte Fretwell munter, bevor Devlin antworten konnte. „Tintenflecke, mordlustige Aristokraten … man weiß eigentlich nie, was kommt, und muss auf alles gefasst sein.“
„Raus, Fretwell“, sagte Devlin drohend zu seinem Geschäftsführer, der sich immer noch grinsend entfernte.
„Ich mag diesen Fretwell“, sagte Amanda und nahm eine der bereitgelegten Binden, nachdem die Wunde sorgsam gereinigt war.
„Jeder mag ihn, stimmte Devlin ihr spöttisch zu.
„Wie ist er zu Ihnen gekommen?” Vorsichtig wickelte sie die Bandage um die Brust.
„Ich kenne ihn von Kindheit an“, sagte er und hielt das Ende des Verbands fest. „Wir gingen zusammen zur Schule.
Als ich mich für den Beruf des Verlegers entschied, folgten er und einige Klassenkameraden meinem Beispiel.
Einer von ihnen, Mr. Guy Stubbins, ist Leiter der Buchhaltung, und ein anderer, Mr. Basil Fry, kümmert sich um meine Geschäfte im Ausland. Und Will Orpin steht der Buchbinderei vor.“
„Welche Schule haben Sie besucht?“
Eine Weile herrschte Schweigen und sein Gesicht war völlig ausdruckslos. Amanda dachte schon, er hätte die Frage vielleicht nicht gehört, und wollte sie wiederholen. „Mr. Devlin …!“
„Ein kleiner Flecken in der Heide“, meinte er kurz angebunden. „Er würde Ihnen nichts sagen.“
„Dann verraten Sie ihn mir doch …“ Sie befestigte das Ende der Bandage.
„Reichen Sie mir das Hemd“, unterbrach er sie.
Seine Verstimmung schien in der Luft Wellen zu schlagen. Mit einem leichten Achselzucken überging Amanda das Thema. Sie langte nach dem säuberlich zusammengelegten Hemd, schlug es auf und öffnete den Kragenknopf. Aus reiner Gewohnheit hielt sie es ihm wie ein erfahrener Kammerdiener entgegen, so wie sie es oft für ihren Vater getan hatte.
„Mit Männerkleidung scheinen Sie ja erstaunlich vertraut zu sein, Miss Briars“, bemerkte Devlin, als er das frische Leinenhemd über seinen wohlgeformten Oberkörper zog und ohne ihre Hilfe zuknöpfte.
Amanda drehte sich um und wandte den Blick ab, als er den Rand des Hemdes in den Hosenbund stopfte. Zum ersten Mal in ihrem Leben genoss sie die Freiheiten einer dreißig Jahre alten Jungfern Diese Situation war ausgesprochen kompromittierend und für ein jungfräuliches Mädchen undenkbar. Zum Glück war der Anblick eines sich ankleidenden jungen Mannes in ihrem fortgeschrittenen Alter unverfänglich.
„Zwei Jahre bis zu seinem Tode habe ich meinen Vater versorgt“, antwortete sie auf Devlins Bemerkung. „Er war in seinen Bewegungen eingeschränkt und brauchte Hilfe beim Ankleiden. Ich stand ihm als Kammerdiener, Köchin und Krankenschwester bei, vor allem in den letzten Monaten.“
Devlins Gesicht schien sich
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