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Nacht der Leidenschaft

Nacht der Leidenschaft

Titel: Nacht der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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nichts vorzuweisen, um einen Kredit aufzunehmen: keinen Namen, keine Sicherheiten, keine Familie. Und ich wusste, ich würde es nie zu etwas bringen, wenn ich nicht das nötige Startkapital besaß. Also ging ich zu meinem Vater, dem Mann, den ich auf dieser Welt am meisten hasste, und bat ihn, mir Geld zu leihen – zu einem von ihm genannten Zinssatz. Ich wusste keinen anderen Weg.“
    „Das muss sehr schwer gewesen sein“, flüsterte Amanda.
    „In dem Augenblick, in dem ich ihn zum ersten Mal sah, glaubte ich, man hätte mich in ein Giftfass getaucht. Bis dahin hatte ich wohl mit der vagen Vorstellung gelebt, er schulde mir etwas. Aber als er mich ansah, wusste ich, dass ich kein Sohn für ihn war – oder etwas, was dem nahe kam. Ich war nur ein Fehltritt.“
    Ein Fehltritt. Amanda erinnerte sich, dass Oscar Fretwell das gleiche Wort für sich und die anderen Jungen auf der Schule gebraucht hatte. „Sie waren sein Sohn“, sagte sie. „Er war Ihnen einiges schuldig.“
    Devlin schien sie nicht zu hören. „Die Ironie dabei ist“, fuhr er leise fort, „dass ich sein Abbild bin. Ich bin ihm ähnlicher als seine legitimen Söhne … sie alle sind blond und hellhäutig wie ihre Mutter. Ich glaube, es amüsierte ihn, dass ich so deutlich seinen Stempel trug. Und es schien ihm zu gefallen, dass ich kein Wort über die Schule verlor, die ich besucht hatte. Ich erzählte ihm von meinem Vorhaben, Verleger zu werden, und er fragte, wie viel Geld ich benötigte. Es war ein teuflischer Handel.
    „Ich verriet meine Mutter. Aber ich brauchte das Geld so dringend, dass ich keine Rücksicht darauf nahm. Und ich habe es genommen.“
    „Kein Mensch kann Ihnen das zum Vorwurf machen“, sagte Amanda ernst, auch wenn sie wusste, dass es nichts ändern würde. Devlin verzieh es sich nicht, auch wenn man gegenteiliger Meinung war. „Sie haben den Kredit zurückgezahlt. Damit ist die Angelegenheit auch bereinigt.“
    Er lächelte bitter, als ob die Worte keinen Sinn ergäben. „Ja, ich habe ihm das Geld bis auf den letzten Penny zurückgezahlt, mit Zinsen. Aber damit ist nichts bereinigt. Mein Vater brüstet sich mit Vorliebe bei seinen Freunden, dass er mir den Start ermöglicht habe. Er spielt sich als Wohltäter auf, und ich kann ihm nicht mal widersprechen.
    „Die Leute die Sie kennen, wissen, wie es war“, murmelte Amanda. „Nur darauf kommt es an.“
    „Ja.“ Jacks Gesichtsausdruck verriet Amanda, dass er es bedauerte, so viel über sich erzählt zu haben. Aber sie wollte um keinen Preis, dass es ihm leid tat, sie ins Vertrauen gezogen zu haben. Doch wieso hatte er es getan?
    Warum erzählte er ihr Sachen über sich, die er als den schlimmsten Makel betrachtete? Wollte er sie für sich einnehmen oder wollte er sie abstoßen? Er senkte den Blick und schien auf ihr Urteil zu warten.
    „Jack“, sagte sie. Der Name war ihr über die Lippen gerutscht, bevor sie es verhindern konnte. Er machte eine kleine Bewegung, als ob er sich von ihr entfernen wollte. Unwillkürlich streckte sie die Arme aus und legte sie um seine breiten Schultern. Ihre Umarmung hatte etwas Beschützendes, auch wenn dies bei einem so kräftig gebauten Mann ein wenig unglaubhaft war. Devlin versteifte sich. Doch zu ihrer und vielleicht auch seiner Überraschung akzeptierte er schließlich ihre Umarmung und beugte sich tief zu ihr hinunter. Amanda legte eine Hand auf das warme Stück Haut über dem Rand des Hemdkragens.
    „Jack …“ Die Stimme sollte mitleidig klingen, aber irgendwie hatte sie ihren alten frischen Ton behalten. „Was Sie getan haben, war weder unrecht noch unmoralisch. Und es hat keinen Sinn, Ihre Zeit mit Selbstvorwürfen zu verschwenden. Vor allem, wenn Sie die Dinge nicht ändern können. Wie Sie sagten: Sie hatten keine Wahl. Und wenn Sie sich an Ihrem Vater und seinen Abkömmlingen für das, was sie Ihnen angetan haben, rächen wollen, dann sollten Sie alles daran setzen, glücklich zu sein.“
    Er lachte kurz an ihrem Ohr auf. „Meine praktische Prinzessin“, murmelte er und legte die Arme um sie. „Ich wünschte, es wäre so einfach. Aber manche Menschen sind nicht für das Glücklichsein geschaffen – ist Ihnen das noch nie in den Sinn gekommen?“
    Für einen Mann, der jede Minute seines Lebens mit Planen, Verwalten, Kämpfen und Erobern verbracht hatte, war der Augenblick des Sichergebens eine äußerst seltsame Erfahrung. Jack fühlte sich benommen, als ob sich ein warmer Nebel über ihn gesenkt und die

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