Nacht der Seelen - Armintrout, J: Nacht der Seelen
verwandelt, habe zwei Frauen verloren, die ich sehr geliebt habe, eine sogar mehrere Male, und das alles habe ich den Launen meines Vaters zu verdanken. Die Lösung für mein Problem erscheint einfach, aber dafürbrauche ich Hilfe. Mein Vater muss sterben und tot bleiben, damit mein Leben endlich wieder normal verlaufen kann.“
„Wie normal ist das denn, wenn du schon zweimal ein Vampir gewesen bist, der schon zweimal tot war?“ Bills Stimme klang traurig, diesen Ton kannte Ziggy, aber er spürte ihn nicht über die Blutsbande. Lernte Bill jetzt schon, seine Gefühle vor ihm zu verbergen? Scheiße, war das deprimierend.
Zu spät bemerkte Ziggy, dass ihn Cyrus anstarrte. „Jedenfalls nicht so normal wie meine Vergangenheit, das schwöre ich dir.“
Ziggy schluckte trocken. Gott sei Dank hatte ihm Clarence gerade das Blut eingeschenkt, und er nahm gierige Schlucke.
„Ich muss zugeben, dass mir das auch Sorgen macht“, sagte Max. „Woher sollen wir wissen, dass wir nicht nur das kleinere Übel wählen?“
„Dann fragt mal deine Freundin, die Ärztin.“ Cyrus Stimme wurde weich. „Ich bin euch immer egal gewesen, aber ich schwöre, dass ich euch nicht hinters Licht führe. Nicht nach alldem, was mir dieses Jahr widerfahren ist.“
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schloss die Augen, während er seine schmalen Hände auf der Tischplatte zu Fäusten ballte. „Früher genoss ich es, grausam zu sein. In vollen Zügen. Mittlerweile stelle ich fest, dass ich noch nicht mal mehr meinen eigenen Vater töten will.“
„Zehn Tage?“, fragte Max noch einmal nach. „Du hältst zu uns Kontakt und bringst uns auf den neuesten Stand. Versuche, Hilfe zu organisieren, das tun wir auch. Und wir kümmern uns um deinen lieben Vati.“
„Wir werden es versuchen“, korrigierte ihn Ziggy. „Aber wir brauchen Unterstützung. Insbesondere Blut.“
„Ja, natürlich. Clarence wird euch mit Blut versorgenund euch noch etwas mitgeben, bevor ihr heute Nacht geht.“ Cyrus sah sie hoffnungsvoll an. „Bitte glaubt mir, wenn ich euch sage, dass ich mir genauso wie ihr wünsche, dass das alles vorbei ist. Und ich bin nicht auf der Seite meines Vaters.“
Max stürzte den Inhalt seines Glases hinunter und stand auf. „Gut. Sag deinem Mann, er soll uns eine Kühltasche fertigmachen.“ Dann drehte er sich zu Bill um. „Trink das.“
Bill wurde bleich und versuchte, das Glas mit dem Blut vor sich nicht anzuschauen. „Nein. Mir geht es gut. Ich bin noch nicht so wirklich bereit, zu …“
„Und ich bin nicht wirklich bereit, dir dabei zuzusehen, wie du heute Nacht einen Fußgänger anfällst, also wirst du das jetzt trinken.“ Max duldete absolut keine Widerrede. Weder ein Bitte noch ein Danke ließ er gelten.
„Jetzt findest du es noch eklig, aber du wirst dich daran gewöhnen.“ Cyrus strich langsam über den Rand seines Glases. „Du wirst in Zukunft herausfinden, dass das auch auf andere Dinge zutreffen wird.“
Bevor er sich anders besinnen konnte, erinnerte sich Ziggy an viele stürmische Bilder von Gewalt und Sex aus seiner Zeit mit Cyrus. Es gelang ihm nicht, diese Visionen vor Bill zu verheimlichen. Er sah, wie ein Muskel in Bills Kiefer verräterisch zuckte, bevor er den Kelch nahm und ihn mit einigen großen Schlucken austrank. Danach stellte er ihn gewaltsam wieder auf den Tisch, sodass der Stamm des Glases zu brechen schien. Bills Gesicht verwandelte sich in die Schnauze eines Monsters, seine Stirn verzog sich zu der hängenden Braue eines Vampirs, doch dann verwandelte er sich ebenso schnell wieder zurück.
„Na, also“, sagte er atemlos und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. „Jetzt können wir endlich los, verdammt noch mal.“Cyrus hielt Wort und versorgte sie mit Blutkonserven. Max wartete in der Küche, während Clarence die Plastikbehälter in eine Styroporbox legte. Bill stürzte wortlos durch die Küchentür und ging hinaus in den Garten.
„Geh ihm nach“, sagte Max zu Ziggy. Voller Sympathie sah er ihn an. „Ich helfe dem Mann hier.“
Sobald Bill draußen war, erbrach er das ganze Blut, das er getrunken hatte, in die Büsche. Er blieb vornübergebeugt stehen und stützte die Hände auf die Oberschenkel, als müsse er sich noch mal übergeben.
Als es angemessen schien, fragte Ziggy vorsichtig: „Geht es dir gut?“
Bill antwortete nicht sofort. Er richtete sich auf und wischte sich den Mund mit dem Saum seines T-Shirts ab. „Ich wollte das wirklich nicht
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