Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall
wie gefasst sie waren», antwortete Laura.
«Oh!», machte die junge Frau. «Mein Name ist übrigens Monika Raab. Mir tut Carolins Tod so Leid. Ich hatte mich ein bisschen mit ihr angefreundet.»
Rolf Berger ließ einen verächtlichen Laut hören, ein scharfes Zischen, das auch ein verschlucktes Lachen hätte sein können. Laura sah zu Guerrini, der den Deutschen mit leicht zusammengekniffenen Augen musterte.
Er kann ihn auch nicht leiden, dachte sie und: Bisher hat nur eine Person an diesem Tisch nichts gesagt, die kühle Blonde, die rechts von Monika Raab sitzt. Die schweigsame Blonde trug ein schwarzes Baumwollkleid, reichen Silberschmuck um Hals und Arme, ihre Haut war golden gebräunt, ihr Gesicht sorgfältig geschminkt. Sie war eindeutig die attraktivste Frau in der Runde, obwohl ihre Züge trotz des weichen Dämmerlichts etwas scharf wirkten. Sie gab sich den Anschein, nicht zur Gruppe zu gehören. Nur hin und wieder schickte sie einen beobachtenden Blick zu den anderen am Tisch, vor allem zu Guerrini und Laura.
Katharina Sternheim schien Lauras Neugier zu ahnen, denn sie stellte plötzlich alle Menschen an der Tafel vor. Die schweigsame Blonde hieß Susanne Fischer.
«Ich arbeite beim Finanzamt!», ergänzte sie Katharinas Worte mit einem spöttischen Lächeln. «Als Inspektorin – das ist beinahe so etwas wie Kriminalkommissarin!»
«Ach», lächelte Laura zurück, «dann können Sie mir ja bei der Aufklärung dieses Falls helfen, nicht wahr?»
«Möglicherweise!», antwortete Susanne und spielte mit dem Silberreif an ihrem rechten Handgelenk. «Jedenfalls habe ich mir meine Gedanken gemacht.»
«Die können Sie mir dann morgen erzählen. Ich werde am Vormittag wiederkommen. Heute Abend würde ich mich gern noch ein wenig mit Frau Sternheim unterhalten.»
«Hören Sie nur gut zu! Der große Guru weiß alles!» Rolf Berger stand abrupt auf, stieß beinahe eine Flasche Wein um und begann die Teller abzuräumen.
«Eine halbe Stunde», sagte Laura und sah Guerrini an. «Höchstens eine halbe Stunde, dann können wir fahren.»
« I ch würde ganz gern mit Ihnen ein Stück gehen», sagte Laura.
Katharina Sternheim nickte, hängte sich einen bestickten Schal über die Schultern, obwohl es noch immer sehr warm war. Langsam überquerten sie den Klosterhof, erreichten die Pinien- und Zypressenallee, die zu den Hügeln im Westen führte. Ein verfrühtes Käuzchen strich mit schrillem Schrei über sie weg.
«La civetta », murmelte Katharina.
« La civetta . Künderin des Unheils, nicht wahr?», entgegnete Laura leise. «Ich war einmal mit meinen Eltern in einem kleinen Ort an der toskanischen Küste. Im Nachbarhaus starb eine alte Frau, und das Käuzchen rief die ganze Nacht. Ich habe nie vergessen, wie meine Mutter auf diese Laute reagierte. Sie hielt mich ganz fest und betete leise zur Heiligen Jungfrau Maria. Die Leute im Dorf kamen und gingen, um Totenwache zu halten. Wenn sie das Käuzchen hörten, duckten sie sich und murmelten ebenfalls Gebete.»
Katharina lächelte.
«Manchmal wird das Wissen der Alten wieder lebendig», sagte sie. «Traurig, dass es allmählich verloren geht. Hat es nicht etwas Tröstliches, wenn ein Vogel ruft und eine Seele wegführt? Man kann es Unheil nennen, aber auch Heimkehr. Würden Sie nicht gern mit einem Vogel wegfliegen, wenn es so weit wäre?»
«Doch!» Laura schaute Katharina von der Seite an. «Ich würde gern mit einem Vogel fortfliegen, aber ungern vom Weinen der Stachelschweine begleitet werden.»
Katharina blieb stehen.
«Wie kommen Sie auf Stachelschweine?»
«Weil ich glaube, dass Carolin Wolfs Seele von Stachelschweinen beweint wurde und nicht mit einer civetta davonflog.»
«So?» Es war ein scharfes «So», das Katharina entkam. «Wieso Stachelschweine?»
«Es war nur so eine Idee. In dieser Gegend gibt es doch ziemlich viele. Commissario Guerrini hat mir von ihnen erzählt. Auch von dem Jungen, der verhaftet wurde …»
Katharina zog den Schal enger um ihre Schultern.
«Sie wollen wissen, ob ich einen Verdacht habe, nicht wahr? Deshalb gehen wir hier spazieren. Und deshalb erzählen Sie mir von Käuzchen und Stachelschweinen.» Sie blieb stehen und sah zu den Sternen. Atmete tief und gleichmäßig.
«Quatsch!», sagte Laura leise. «Ich habe Ihnen von dem Käuzchen erzählt, weil ich mich plötzlich daran erinnerte, und Stachelschweine habe ich noch nie erlebt. Ich bin nur neugierig auf sie.»
Katharina ging langsam weiter.
«Nun gut»,
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