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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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ging.
    «Glauben Sie, dass Carolin Wolf Drogen nahm?»
    «Nein. Jedenfalls habe ich nichts davon bemerkt. Sie war einfach eine extreme Persönlichkeit.» Katharina löste sich vom Stamm der Pinie, für einen winzigen Augenblick wurde ihr Gesicht von einem Sternenschimmer beleuchtet, das Gesicht einer alten Weisen, deren Haar silbern aufleuchtete.
    «Wir sollten zurückgehen», sagte sie.

A ngelo Guerrini wartete an der Treppe zur Veranda auf die beiden Frauen. Die Mitglieder der Gruppe hatten sich zurückgezogen, mieden den Kontakt mit ihm. Er saß da und streichelte die Katzen, schaute nach Westen, wo die Sonne einen feinen violetten Schimmer am Horizont zurückgelassen hatte. Ab und zu schlug er nach einem Moskito. Er versuchte nicht zu denken, versuchte zu erspüren, was in diesem Gemäuer nicht stimmte. Aber er kam nicht weiter. Was er spürte, war nur dieser weiche, wunderbare Abend, das Fell der Katzen und der Wein auf seiner Zunge. Wenn er anfing zu denken, dann tauchte als Erstes Laura Gottberg auf. Dieses Bild wollte er lieber unterdrücken. Doch seine Gedanken waren stärker als sein Wille. So rief er sich ins Gedächtnis, was Laura zuletzt gesagt hatte.
    «Seltsam, dass Sie ihn so gut verstehen, obwohl Sie ihn kaum kennen.» Verstand er Giuseppe? Den Teil des Jungen, dem er sich verwandt fühlte? Den Ruhelosen, der die Stachelschweine belauschte? Der sich nach der Nähe einer Frau sehnte?
    Guerrini scheuchte die Katzen fort, doch sie setzten sich nur wenige Schritte entfernt auf die Stufen und starrten ihn aus funkelnden Augen an.
    Dummes Zeug. Verrückte Gedanken. Vielleicht stimmte doch etwas nicht mit diesem Kloster. Die Blicke der Katzen waren ihm plötzlich unangenehm. Er stand auf und schaute zum Fenster des großen Raums neben der Veranda hinüber. Was diese Deutschen wohl machten? Schwaches Kerzenlicht flackerte hinter den Scheiben. Eine Fledermaus zickzackte durch den Hof. Guerrini hatte plötzlich das heftige Verlangen nach einem Espresso, nach einer Bar mit Zigarettenrauch, Männerstimmen und laufendem Fernseher.
    Als er Laura und Katharina Sternheim kommen sah, zwei Schattenrisse im schwachen Licht der Sterne, ging er ihnen erleichtert entgegen. Dieser Ort machte ihn unruhig. Vielleicht war doch etwas dran an den Geschichten der Bauern. Er konnte sich plötzlich sehr gut vorstellen, dass manche hier einen Zug schwarzer Mönche zu sehen glaubten. Dieses Kloster war irgendwie aus der Zeit herausgefallen.
    Guerrini lächelte über seine Gedanken. Es gab niemanden, dem er sie erzählen konnte. Höchstens Giuseppe Rana oder Doktor Granelli. Laura Gottberg würde ihn auslachen. Oder nicht? Er war sich nicht sicher.
    Er wartete neben dem Lancia auf sie, beobachtete, wie sie sich von Katharina Sternheim verabschiedete. Die Therapeutin winkte ihm kurz zu und verschwand im Seitentrakt des Klosters. Laura blieb in der Mitte des Hofs stehen, streckte ihre Arme den Sternen entgegen und seufzte laut. Dann trat sie zu ihm und sagte: «Ich brauche einen Espresso, sonst schlafe ich sofort ein!»
    «Ich brauche zwei Espressi, einen Grappa, viel Zigarettenrauch und das Gefühl, dass es die normale Welt noch gibt! Außerdem habe ich Hunger!», murmelte er.
    Laura ließ sich auf den Beifahrersitz fallen.
    «Wie lange haben die Restaurants in Buonconvento geöffnet?», fragte sie.
    «Bis zehn. Jetzt ist es halb zehn. Wir müssen uns beeilen.»
    Guerrini fuhr los. Die Scheinwerfer streiften über die Klostermauern, dann gab es nur noch Büsche und Baumstämme, die rechts und links vom Weg aufleuchteten und wieder verschwanden. Laura schaute durchs Rückfenster. Aufwirbelnder Staub verschleierte die wenigen Lichter der Abbadia.
    «Warum fahren Sie so schnell?», fragte sie.
    «Weil ich Hunger habe», antwortete Guerrini grimmig.
    «Sind Sie ärgerlich, weil ich so lange fort war?»
    «Nein. Nur hungrig.»
    Die Autoreifen knatterten über die gesäumte Schotterstraße. Laura kam es vor, als rasten sie durch einen engen Tunnel. Sie schloss die Augen, weil das schnell sich brechende Licht der Scheinwerfer sie schwindlig machte. Als Guerrini plötzlich so scharf bremste, dass der Lancia sich quer stellte und seitlich über den Schotter rutschte, schrie sie auf.
    Gerade noch sah sie drei seltsame Kreaturen im Unterholz verschwinden. Borstenbedeckte runde Gestalten, ungelenke Gnome mit stumpfen Nasen. Und dann hörte sie durch das offene Seitenfenster des Wagens ein klagendes Weinen – hoch, fiepend, herzzerreißend. Sie

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