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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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sagte sie. «Ich kann Ihnen nicht viel erzählen. Ich weiß selbst nicht, was in dieser Gruppe vor sich geht. Meiner Ansicht nach kann es durchaus sein, dass Carolin einem Unfall zum Opfer gefallen ist. Kann aber auch sein, dass sie ermordet wurde. Ich weiß es nicht. Ich will nicht daran glauben, dass einer aus der Gruppe sie umgebracht hat. Es wäre … ich kann es schwer ausdrücken … wahrscheinlich müsste ich dann meine Arbeit aufgeben!»
    «Warum?»
    Wieder blieb Katharina stehen, ihr Atem ging schwer. «Weil ich das Vertrauen in meine eigene Kraft verlieren würde. In die Kraft, Menschen zu sich selbst zu führen.»
    Laura hob einen Zypressenzapfen auf, hielt ihn an die Nase und genoss den harzigen Duft.
    «Vielleicht schaffen auch Morde Klarheit», sagte sie. «Vielleicht spielt sich zwischen einigen Mitgliedern Ihrer Gruppe etwas ab, das weder Sie noch irgendjemand anderes ahnen kann?»
    «Haben Sie jemals eine Selbsterfahrungsgruppe mitgemacht?», fragte Katharina.
    «Ja, vor ein paar Jahren, als ich in einer tiefen persönlichen Krise steckte», antwortete Laura.
    «Dann kennen Sie das Risiko jeder Gruppe. Fremde Menschen kommen zusammen und erleben gemeinsam einen seelischen Prozess, der überallhin laufen kann. Niemals läuft ein solcher Prozess nach bestimmten Regeln ab. Nie weiß der Therapeut, was auf ihn zukommt.»
    «Ich weiß», murmelte Laura.
    «Dann können Sie sich vorstellen, welche Belastung es sein kann.»
    «Ja, aber Sie haben sich diesen Beruf freiwillig ausgesucht, oder?»
    Katharina wandte sich ab und ging schnell weiter.
    «Okay», sagte Laura nach einer Weile. «Das war nicht ganz fair von mir. Fangen wir anders an. Haben Sie den Eindruck, dass einige Mitglieder Ihrer Gruppe sich kennen? Ich meine, dass sie in München – sie sind ja alle aus München – eine Beziehung zueinander hatten?»
    «Warten Sie», sagte Katharina. «Sie haben ja Recht. Ich habe mir diesen Beruf ausgesucht, und ich gehe einen anderen Weg als die meisten Therapeuten. Ich mache es gern, aber es strengt mich sehr an. Es ist schwer, mit Menschen zu arbeiten, die vieles ins Unbewusste verdrängt haben, wenn man selbst einen Zipfel Klarheit erwischt hat. Ich sehe so viele Dinge, die falsch laufen, und würde sie natürlich gern ändern. Aber Menschen ändern sich nicht so leicht. Sie fangen erst damit an, wenn sie vor einer Mauer stehen oder wenn das Leben sie schwer getroffen hat. Wenn sie wirklich seelische Schmerzen oder unerträgliche Angst verspüren. Aber selbst dann erwarten sie, dass man sie repariert … wie ein Auto. Oder dass ich ihnen sage, wie sie wieder funktionieren, ohne etwas an sich selbst zu ändern. Man braucht unendliche Geduld … und manchmal habe ich sie nicht mehr. Vielleicht liegt es an meinem Alter. Ich weiß nicht.»
    «Na ja», murmelte Laura. «Ich bin ein paar Jahre jünger, aber ich verliere auch leicht die Geduld.»
    Katharina zog das Tuch enger um sich.
    «Sehen Sie, zu mir kommen Menschen, die ihre Seele reparieren lassen wollen. Ich soll etwas tun. Die meisten sind nicht bereit, selbst etwas zu unternehmen. Viele reagieren sogar ärgerlich, wenn sie ein Stück Wahrheit über sich selbst erfahren. Ich leite seit vielen Jahren Selbsterfahrungsgruppen. Mindestens die Hälfte der Leute wollen nichts, aber auch gar nichts über sich selbst wissen. Sie wollen sich in ihrem Unglück suhlen, tanken auf, und ich bleibe mit ihrem Seelenmüll zurück.»
    «Ist das hier auch so?»
    «Natürlich, was denken Sie. Zwei aus der Gruppe habe ich in Einzeltherapie, die anderen hatte ich vorher noch nie gesehen.»
    «Kennen sich die beiden, die bei Ihnen in Therapie sind?»
    «Flüchtig. Sie sind sich im Wartezimmer begegnet. Rosa Perl und Rolf Berger.»
    «Alle anderen waren nie zuvor mit Ihnen in Kontakt?»
    «Nie. Sie haben sich auf eine Anzeige hin, die ich in Therapiezentren ausgehängt hatte, angemeldet.»
    «Sind Sie sich da ganz sicher? Ich meine, Sie als Therapeutin haben doch ein Gespür für die Schwingungen zwischen Menschen.»
    Katharina löste den Schal von ihren Schultern und ließ ihn hinter sich herschleifen.
    «Nein», sagte sie. «Ich bin mir nicht sicher. Ich fühle mich seit Carolins Tod total verunsichert. Vielleicht kannte Carolin Rolf Berger. Zwischen den beiden lief etwas …»
    «Was?»
    «Ich hatte den Eindruck, dass sie sexuellen Kontakt hatten. Vielleicht war es ganz spontan. Berger ist so. Ich kenne ihn seit zwei Jahren. Er braucht ständig Bestätigung von

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