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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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löste den Sicherheitsgurt, sprang auf die Straße.
    «Wir müssen eins angefahren haben!» Ihre Stimme war aufgeregt. Sie suchte den Weg ab, schaute unter den Wagen. Aber da war nichts. Das Weinen verebbte, entfernte sich, verstummte endlich. Jetzt hörte man nur noch das Zirpen der Zikaden.
    «Steigen Sie ein!» Es klang wie ein Befehl. «Ich konnte rechtzeitig bremsen. Wir haben sie nur erschreckt.»
    Laura lauschte in die Dunkelheit. Sie waren tatsächlich fort. Ein leichter Schauder lief über ihren Rücken. Zögernd kehrte sie zum Wagen zurück. Kurz darauf erreichten sie die Hauptstraße.
    «Jetzt wissen Sie, wie das Weinen der Stachelschweine klingt», sagte er leise. «Können Sie sich vorstellen, dass ein Mensch es perfekt nachmacht? Giuseppe Rana kann es.»
    «Können Sie es?»
    «Nein.»
    Laura versuchte sich zu entspannen. Plötzlich wünschte sie sich nichts mehr als das Klingeln ihres Handys. Guerrinis Einsilbigkeit machte sie nervös. Als die Lichter von Buonconvento auftauchten, atmete sie auf. Sie sehnte sich nach einem Teller Spaghetti, einem Glas Wein und ganz normalen Menschen. Guerrini hielt direkt vor einer Osteria.
    «Es ist ein sehr einfaches Lokal», sagte er und stützte beide Arme auf das Lenkrad. «Die Küche ist gut. Schlicht und gut. Der Fernseher läuft die ganze Zeit, die meisten Gäste sind Männer, und es wird viel geraucht. Ich hoffe, Sie mögen das.»
    «Ich bin sicher», murmelte Laura.
    Ihre Stimme klang so müde, dass er gern die Hand auf ihren Arm gelegt hätte. Aber er wagte es nicht. Verstand sich selbst nicht so recht. Früher, noch vor wenigen Jahren, hätte er die Hand auf ihren Arm gelegt. Aber er hatte sich verändert. Die Dinge waren nicht mehr so einfach wie früher. Er misstraute Entwicklungen, die sich aus unüberlegten Berührungen ergaben. Langsam stieg er aus, ging um den Wagen herum und öffnete ihr die Tür.
    «Danke», sagte sie.
    Nebeneinander betraten sie das Lokal, wurden geblendet von grellem Neonlicht. Der Speisesaal war riesig, voll gestellt mit Resopaltischen und Plastikstühlen, in der rechten Ecke stand auf einem Schrank ein großer Fernseher. Sechs Männer saßen davor, die Köpfe in den Nacken gelegt. Nur zwei Tische waren besetzt. An den Wänden hingen Bilder der Großeltern und anderer Vorfahren der Wirtsleute. Männer und Frauen mit Bauerngesichtern und scharfen Zügen. Aus der Küche lugte eine junge Frau, deren üppiger Leib mit einer weißen Schürze bedeckt war.
    «Gerade noch rechtzeitig!», rief sie. «Aber ich mache keine Crostini mehr!»
    «Wir wollen nur einen großen Teller Pasta und Salat!», antwortete Guerrini. «Was gibt’s für einen Sugo?»
    «Funghi porcini!» , antwortete die Frau und rückte das weiße Käppchen auf ihren Haaren zurecht. «Ganz frische Steinpilze. Alberto hat sie heute Morgen am Monte Amiata gesammelt.»
    «Wunderbar, Serafina. Wir brauchen außerdem als Erstes zwei Espressi, dann einen halben Liter Wein, Wasser und Brot.»
    « Subito, subito , Commissario!» Serafina warf Laura einen neugierigen Blick zu und verschwand.
    «Ihre Stammkneipe?», fragte Laura.
    «Nein, aber ich komme regelmäßig her, wenn ich in der Gegend zu tun habe. Es gibt nicht mehr viele einfache Osterie. Man muss sie ehren und genießen, solange sie noch existieren.»
    Sie setzten sich an einen Tisch, der möglichst weit vom Fernseher entfernt war. Eine kleine ältere Frau eilte aus der Küche, breitete mit scheuem Lächeln eine Tischdecke vor ihnen aus, legte sorgsam Servietten und Besteck vor ihre Gäste, brachte eine Karaffe Wein. Danach ging sie zur Bar und setzte die Kaffeemaschine in Gang, ein glänzendes Ungetüm, das sicher schon zwanzig Jahre gedient hatte. Laura lauschte den vertrauten Geräuschen, dem Zischen, dem Ausklopfen des Filters.
    Guerrini zündete eine Zigarette an.
    «Ich rauche eigentlich nicht», sagte er entschuldigend. «Nur manchmal.»
    Laura lächelte.
    «Kann ich auch eine haben? Eigentlich rauche ich auch nicht, nur wenn es gerade passt.»
    Guerrini reichte ihr das Päckchen.
    «Was hat Ihnen diese Katharina erzählt?» Er goss ihnen Wein ein.
    «Sie hat versucht, die Mitglieder der Gruppe zu beschreiben. Klagte über die Belastung durch ihre Arbeit.»
    «Gibt es irgendwelche Ansätze? Erzählen Sie, Laura. Ich bin ganz auf Ihre Vermittlung angewiesen – ein Sprachloser.»
    Laura drückte ihre Zigarette nach dem dritten Zug aus und spülte den bitteren Geschmack mit Wein hinunter.
    «Ich weiß es nicht»,

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