Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall
Tür zum Gruppenraum des Klosters sich gegen Mittag endlich öffnete, saß Laura Gottberg auf der Treppe zur Veranda und streichelte junge Katzen. Zum Teufel mit den Flöhen. Katharina Sternheim ließ sich neben ihr nieder. Ihr Gesicht wirkte schlaff und erschöpft.
«Haben Sie noch ein Zimmer frei?», fragte Laura.
Katharina ließ ihre Augen zu dem Koffer wandern, der noch immer an der Hauswand neben der Telefonzelle stand.
«Halten Sie das für eine gute Idee?»
«Ja!», antwortete Laura.
«Es wird die Gruppenarbeit stören.»
«So? Ich denke, dass die Gruppenarbeit kaum mehr gestört werden kann als durch einen Mord, oder?»
Katharina stützte den Kopf in beide Hände und schloss die Augen.
«Natürlich», flüsterte sie. «Aber ich versuche gerade, ein bisschen Ruhe in die Gruppe zu bekommen. Die Sache aufzuarbeiten. Wenn Sie hier wohnen, wird keine Ruhe einkehren. Alle werden sich beobachtet fühlen … Nichts gegen Sie. Aber Sie sind Kriminalkommissarin. Können Sie sich eine Gruppenarbeit unter den Augen der Polizei vorstellen?»
«Nein», erwiderte Laura mit einem dezenten Lächeln. «Ich habe auch gar nicht vor, an den Gruppensitzungen teilzunehmen. Ich möchte nur hier sein, um in Ruhe mit den Leuten reden zu können und meine Ermittlungen durchzuführen. Sie können weitermachen wie bisher. Nur hin und wieder in kleinerer Besetzung!»
«Was wollen Sie damit sagen?»
«Ich will damit sagen, dass ich mit jedem Einzelnen längere Gespräche führen muss – auch während der Gruppensitzungen. Ich mache hier schließlich nicht Urlaub, sondern ich versuche einen Mord aufzuklären!»
Katharina hielt noch immer die Augen geschlossen und Laura schoss der boshafte Gedanke durch den Kopf, dass sie einer Schmerzensfrau glich und dass an diesem Ausdruck tiefen Leids etwas falsch war.
«Gut!», sagte Katharina plötzlich und hob den Kopf. «Es gibt noch ein Zimmer. Rosa hat bis vor zwei Tagen dort gewohnt. Aber sie ist inzwischen in den Gruppenraum umgezogen. Das Zimmer hat ihr Angst gemacht. Sie können es haben!» Katharina stand auf, machte zwei Schritte die Treppe hinauf und wandte sich an die anderen, die gerade den Tisch deckten.
«Die Kommissarin wird bei uns auf der Abbadia wohnen. Ich habe ihr Rosas ehemaliges Zimmer gegeben. Ich hoffe, ihr seid damit einverstanden – aber wir haben wohl keine andere Wahl.»
Einen Moment lang schwiegen alle, verharrten in ihren Bewegungen wie Märchenfiguren, die plötzlich in Schlaf fallen. Rolf Berger war der Erste, der sich wieder fing.
«Dann ist ja klar, dass wir alle verdächtig sind!», sagte er mit leiser, spöttischer Stimme.
«Nicht alle!», antwortete Laura ebenso spöttisch. «Es sei denn, es handelt sich um einen Ritualmord, den Sie alle gemeinsam ausgeführt haben.»
Rosa Perl stellte eine Schüssel mit Tomatensalat auf den Tisch, zu hart.
«Schlafen Sie nicht in diesem Zimmer», murmelte sie. «Es wohnt ein böser Geist drin.»
Laura lächelte ihr freundlich zu.
«Vielleicht kann ich ihn vertreiben», antwortete sie. «Und noch etwas. Könnte ich bis morgen mit Ihnen gemeinsam essen? Ich zahle gern in die Kasse ein.»
«Ja, natürlich!» Katharina ließ sich erschöpft auf eine Bank fallen.
Es gab Käse, Salami, Früchte und Tomatensalat. Dazu tranken sie Wein und Wasser. Die Katzen versuchten ihren Teil zu ergattern, strichen unter dem Tisch um die Menschenbeine und sprangen blitzschnell auf die Bänke, wenn jemand unaufmerksam wurde. Lange Zeit aßen sie schweigend, doch Laura spürte die verstohlen forschenden Blicke der anderen.
«Nach dem Essen legen wir normalerweise eine Ruhepause ein», sagte Katharina endlich. Es klang in Lauras Ohren wie: Sie stören hier!
Gut, dachte Laura. Sie geht auf Konfrontation. Damit kann ich umgehen!
«Ich möchte nur mit einer Person sprechen», antwortete sie ruhig. «Die anderen können ruhen.»
«Sie glauben doch nicht im Ernst, dass jemand aus dieser Gruppe Carolin umgebracht hat!» Britta, die Krankenschwester, hatte den Kopf gehoben und sah Laura herausfordernd an. Sie war eine hübsche junge Frau mit sehr kurzen Haaren, die wie ein Helm um ihren Kopf lagen. Das enge Top gab den Ansatz ihrer Brüste frei.
«Ich weiß es nicht …», Laura drehte den Wasserbecher zwischen ihren Händen, «… es geht hier um ganz normale polizeiliche Ermittlungen. Niemand wird bisher beschuldigt. Ich kann verstehen, wenn Sie sich ein wenig unbehaglich fühlen. Das ist die natürliche Folge eines Mordes,
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