Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall
Laura im Schatten der Arkaden die drei Französinnen. Offensichtlich hatten sie die seltsame Beerdigung beobachtet, denn sie wirkten verwirrt und leicht erschrocken.
D as Handy klingelte, als Laura auf dem Weg in ihr Zimmer war. Sie warf einen kurzen Blick auf die Nummer. Es war Baumann.
«Hallo!», sagte sie ein wenig atemlos, denn sie hatte zwei Treppenstufen auf einmal genommen.
«Wohin rennst du denn?», fragte er.
«Fitnesstraining», antwortete sie.
«Unter Olivenbäumen?»
«Nein, im Treppenhaus!» Laura öffnete ihre Zimmertür und ging zum Fenster, um die Gruppe zu beobachten. Rolf Berger und Susanne Fischer sprachen kurz miteinander. Er schien eine ärgerliche Handbewegung zu machen, drehte sich um und begleitete Rosa Perl auf die Veranda. Susanne Fischer starrte ihm nach und verschwand dann hinter den Säulen des Hauptgebäudes. Wann fing die Gruppensitzung an? Um halb elf Uhr. Der besonderen Umstände wegen. Jetzt war es fünf nach zehn. Laura überlegte, ob sie Susanne Fischer vor der Sitzung abfangen sollte.
«Bist du noch dran?» Baumanns Stimme tönte so laut aus dem kleinen Telefon, als stünde er neben ihr.
«Ja», sagte Laura zerstreut. Vielleicht wäre es besser, noch einen Tag zu warten. Falls Susanne Fischer etwas mit der Sache zu tun hatte, würde ihre Nervosität wachsen, wenn Laura sie noch eine Weile in Ruhe ließe. Oder würde sie sich in Sicherheit fühlen? Auch das wäre keine schlechte Voraussetzung für ein Verhör.
«Hey! Aufwachen! Ich will dir was sagen! Aber nur, wenn du mir zuhörst!»
«Ich höre!»
«Gut! Wie geht’s dir?»
«Ganz gut. Allerdings fehlt mir jede Menge Schlaf.»
«Was machst du denn nachts?» Baumanns Stimme hatte einen anzüglichen Ton.
Nicht schon wieder, dachte Laura. Er ist kein pawlowscher Hund, er ist ein netter Kollege, der auch völlig anders reagieren kann … jedenfalls manchmal. Sie entschloss sich deshalb, nicht auf seinen Ton einzugehen, nicht ärgerlich zu werden, sondern ganz sachlich zu erzählen, was in der Nacht passiert war.
«Du wirst annehmen, dass ich in einem stillen Kloster auf einem Hügel lebe – mit Betonung auf still. Tagsüber ist es auch ziemlich ruhig, aber ab drei oder vier Uhr früh herrscht hier der totale Terror. Sämtliche Traktoren Italiens graben die Felder um, und die Jäger sind auch unterwegs.»
Baumann lachte leise.
«Klingt gut.»
«Na, siehst du! Was gibt’s Neues?»
«Das wollte ich eigentlich dich fragen. Der Chef löchert mich nämlich. Er möchte schnell Ergebnisse sehen, denn hier sind die Zeitungen voll vom ‹mysteriösen Tod einer Münchnerin in Psychogruppe›. In einem der üblichen Horrorblätter stand sogar was von einem möglichen Ritualmord. Wundere dich nicht, wenn plötzlich ein paar Reporter auftauchen.»
«Porco dio!» , stöhnte Laura.
«Und was heißt das, wenn ich bitten darf?»
«Ich … kann das nicht übersetzen. Ist auch egal. Bitte tu alles, um mir diese Leute vom Hals zu halten. Wie kommen die denn auf so was? Habt ihr eine Pressekonferenz abgehalten?»
«Ich wollte es nicht. Doch der Chef meinte, dass es nötig sei. Er hat auf die Fragen geantwortet. Ich stand nur dabei. Er hat ziemlich dick aufgetragen – von wegen Ermittlungshilfe, weil die Italiener Schwierigkeiten mit dem Fall hätten. Aber er hat leider auch von einer Psychogruppe gesprochen, und dass solche Dinge mit Vorsicht zu behandeln seien. In ein paar Tagen wird die Psychogruppe wahrscheinlich zur Sekte! Du kennst ja die einschlägigen Zeitungen!»
«Bravo!»
«Ist das alles?»
«Was soll ich denn sagen? Ich taste mich ganz allmählich an die Geschichte heran. Es ist ziemlich schwierig und hat mit der Gruppe selbst nur sehr am Rande zu tun. Jedenfalls so weit ich es bisher einschätzen kann. Deshalb wäre ich dir dankbar, wenn du mir Infos über die einzelnen Leute geben könntest. Besonders wichtig sind mir Rolf Berger, Katharina Sternheim, Rosa Perl und diese Susanne Fischer.»
«Es tut mir Leid, Laura. Wir versuchen wirklich unser Bestes, aber bisher sieht es so aus, als seien das alles völlig normale Bürger unseres geschätzten Landes. Es gibt wirklich nur einen Rolf Berger, und der ist Mikrobiologe, arbeitet bei Dialab, keine Vorstrafen. Einzige Auffälligkeit die Beziehung zu unserer Isarleiche. Deine Malerin hat einen netten Mann, eine nette Tochter und einen netten Hund. Ich hab sie in ihrem Häuschen in Obermenzing besucht. Sie waren gerade dabei, die Koffer auszupacken. Deine Rosa hat
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