Nacht der Versuchung
Margits gezogen. Nach vorsichtigen Berechnungen mußte Klaus vier Monate in Spanien bleiben, mit einigen Abstechern in südamerikanische Staaten. Über Weihnachten und Neujahr wollte er kurz zurückkommen, um dann am 3. Januar wieder nach Barcelona und weiter nach Montevideo zu fliegen.
»Du wirst die Geburt deines Sohnes noch versäumen«, maulte Margit. »Ich habe einen Mann und Geliebten geheiratet, aber keinen Patentvergeber. Vier Monate allein! Ich habe keine Lust, Witwenübungen abzuhalten. Warum kann nicht einer deiner Direktoren fahren? Wozu bekommen sie ihre hohen Gehälter, wenn du alles allein tun mußt?«
»Es gibt Dinge, Schätzchen, die kann nur der Chef allein entscheiden.« Klaus Blankers küßte seine Frau mit aller Zärtlichkeit. »So darf zum Beispiel nur ich dich küssen.«
»Wenn du mich mit deiner Fabrik vergleichst …«
»Alle Dinge haben ihre Größe, die nur in einer Hand liegen können.«
»Ein Philosoph! Ich habe einen Philosophen geheiratet!« Margit lachte, aber es klang nicht befreit wie sonst. Vier Monate allein, in ihrem Zustand … sie hatte einfach Angst davor. Nicht vor Komplikationen, sondern vor der Möglichkeit, in diesen langen, einsamen sechzehn Wochen an Dinge denken zu müssen, die sie nie wieder vor sich sehen wollte. Solange Klaus um sie war, war sie glücklich und unbeschwert; aber sie ahnte, daß sie vier Monate ohne Klaus nicht aushalten würde.
Blankers versuchte in den nächsten Tagen wirklich, einen Mann in seinem Betrieb zu finden, der diese Entscheidungen in Spanien treffen konnte. Er fand keinen, der nach seiner Ansicht befähigt war, dies zu tun. Dann sprach er lange mit den spanischen Direktoren, um die Termine zu verschieben. Aber auch dieser letzte Versuch, bei Margit zu bleiben, scheiterte. Die Weltwirtschaftslage spitzte sich zu, die Konkurrenz hatte keine Wartezeiten. Entweder nimmt man Rücksicht auf seine Frau und verliert ein Millionengeschäft, oder man stellt alles hintenan und boxt sich durch. Blankers blieb keine andere Wahl. Er entschied sich für das Geschäft.
Und so erlebte Margit zum erstenmal, was es heißt, in einem goldenen Käfig zu leben. Sie hatte eine Zofe und einen Diener, eine Köchin kochte, zwei Hausmädchen hielten die schloßähnliche Villa sauber, ein Gärtner mit einem Gehilfen versorgte den Garten und machte Hausmeisterdienste. Es stand ihr frei, jeden Abend Gesellschaften zu geben, ihre Freundinnen einzuladen, hinzufahren, wohin sie wollte, die ganze Welt stand ihr offen. Aber was war diese Welt ohne Klaus?
In der ersten Woche ging Margit ins Theater oder ins Kino, saß abends bei ihren Eltern, las oder sah Fernsehen, diskutierte mit ihrem Vater über die Mieterhöhungen und hörte sich die alten Klagelieder an, daß die Baupreise in blödsinnige Höhen getrieben würden.
So unbefriedigend diese Abende auch waren: Sie waren immer noch besser als die Einsamkeit in der riesigen Villa, als dieses einsame Herumhocken in den saalartigen Räumen, in denen sie fror, auch wenn die Heizung bullerte und dicke Buchenscheite in den offenen Kaminen loderte. Die Briefe und Karten aus Spanien und Südamerika waren kein Ersatz für Klaus, auch wenn sie voller Liebe und Sehnsucht waren. Die Langeweile gähnte sie an.
Margit begann deshalb, wieder in ihren französischen und englischen Schulbüchern zu lesen, obwohl sie nach dem Abitur den Schwur getan hatte, nie mehr ein Schulbuch anzurühren. Sie beschäftigte sich wieder mit der Syntax und lernte Vokabeln. An den Abenden strickte sie oder stickte Tischdecken. Doch das war alles nur ein Überdecken der Einsamkeit. Wenn sie später allein im Bett lag und neben sich das unberührte Kopfkissen sah, kamen ihr die Tränen in die Augen.
»Du weißt gar nicht, wie du mir fehlst«, sagte sie dann leise und streichelte das Kopfkissen. »Ich habe nie gedacht, daß ich dich so vermissen könnte.«
*
Für Fred Pommer arbeitete der Zufall.
Nachdem er den Namen wußte, sah er im Telefonbuch nach und erkundigte sich, wer dieser Blankers sei. Er erfuhr, daß er ein reicher Mann war, ließ sich mit einer Taxe zur Fabrik bringen und umkreiste den großen Komplex wie ein suchendes Tier.
Hier liegt meine letzte große Chance, dachte er zufrieden, als er einen Überblick über das große Unternehmen gewonnen hatte. Das alles kann Margit regieren. Es gehört zwar diesem Blankers, aber was ist denn ein Mann in den Armen einer Frau? Wer hat schon beim Anblick eines weißen Körpers Wünsche
Weitere Kostenlose Bücher