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Nacht der Versuchung

Nacht der Versuchung

Titel: Nacht der Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hätte. Und so ging es weiter … immer war ich der Getretene, immer war Fred Pommer der Schuldige, man fragte gar nicht lange; es war so einfach, alles auf den Berufsverbrecher abzuschieben. Gut denn, habe ich da gedacht. Wenn ihr es alle so wollt, dann werde ich eben ein Verbrecher. Ihr erzieht mich ja dazu. Aber ein eleganter Verbrecher. Kein Taschendieb oder Klemmer, sondern ein Ganove, der mit einem Streicheln über einen Frauennacken mehr verdient als durch hundert Einbrüche. Und das bin ich nun. Basta!« Pommer beugte sich über den kleinen runden Tisch vor. »Und jetzt kommst du auch noch mit ›deinen Kreisen‹. Mit diesen Kreisen, die mich auf dem Gewissen haben!« Pommers Stimme wurde schneidend. »Mein liebes Kind, von dieser Stunde an wirst du keine Ruhe mehr vor mir haben! Es wird mir ein Herzensanliegen sein, ›eure Kreise‹ aufzusprengen wie eine Panzerfeste. Und glaube mir, ich finde dazu Mittel und Wege. Wenn ich auch ein Gauner bin, so habe ich doch Intelligenz. Und das ist gefährlich.«
    Margit hatte diesen Wasserfall von Worten stumm über sich ergehen lassen. Jeder Satz brannte in ihr, denn er war eine Kampfansage. Man muß ihn umbringen, dachte sie plötzlich. O mein Gott, es gibt keinen anderen Weg. Man muß ihn umbringen! Wenn er weiterlebt, bricht alles zusammen … meine Ehe, Klaus, die Fabrik, meine Eltern, das Kind. Es wird eine Tragödie ohne Ende geben.
    Oder soll ich wieder gehen? Soll ich es ein zweites Mal versuchen? Nicht mehr im Hafen, sondern ganz still, im Badezimmer, unter dem geöffneten Hahn des Gasbadeofens …
    Sie spürte wieder Übelkeit in sich aufsteigen. Im Rücken schmerzte ein plötzliches Ziehen, das bis zum Unterbauch hinunterglitt.
    Das Kind, dachte sie. Ich trage ein Kind. Soll es mitsterben, nur weil ich zu feig bin? O nein, nein! Um des Kindes willen werde ich leben.
    Sie wandte sich ab, ließ Pommer sitzen und ging aus dem Lokal. Wie eine Schlafwandlerin überquerte sie die Fahrbahn, und dann, wie ein Blitzschlag, zuckte Panik in ihr hoch, hatte sie das Empfinden, weglaufen zu müssen, weg von diesem Menschen, der Ekel und Angst um sich verbreitete.
    Sie lief, den Kopf weit in den Nacken geworfen, über die breite Straße. Sie hörte kein Hupen, kein kreischendes Bremsen, keinen Aufschrei auf der gegenüberliegenden Seite. Sie sah nichts mehr, was um sie war, sie hatte nur den einen Drang: Weg … weg von hier … weg …
    Sie fühlte einen harten Schlag gegen Schulter und Brust, spürte, wie sie zur Seite geschleudert wurde und auf den Asphalt fiel und dort ein Stück auf der glatten Fahrbahn weiterrutschte. Dann verlor sie das Bewußtsein.
    Der Fahrer kletterte bleich aus seinem Wagen und beugte sich über die liegende Gestalt. Ein Polizist war bereits da, Menschen umdrängten die kleine Gruppe, der Verkehr stoppte.
    »Sie ist mir direkt gegen den Wagen gerannt«, stotterte der Fahrer und sah hilfesuchend um sich. »Ich habe gehupt, ich habe sofort gebremst … aber es war schon zu spät. Sie … Sie haben es doch alle gesehen, nicht wahr …?«
    »Ich habe es selbst gesehen.« Der Polizist beugte sich über Margit. »Anscheinend nur eine Prellung. Sie blutet nicht. Ich rufe sofort den Unfallwagen.« Und zu dem zitternden Fahrer des Autos: »Sie trifft gar keine Schuld. Wie eine Wilde ist sie ja bei Rot über die Straße gelaufen.«
    Während man Margit von der Fahrbahn wegtrug und in einen Hausflur brachte, bis der Unfallwagen kam, verließ Fred Pommer ungerührt das Café und entfernte sich schnell. Er wollte nicht als Zeuge aussagen. Er wollte Klaus Blankers nicht ausgerechnet im Gerichtssaal kennenlernen. Er hatte andere Pläne.
    *
    Margit erwachte erst wieder im Krankenhaus.
    Neben dem Chefarzt stand auch Professor Haensel am Bett. Lisa Bernhardt hatte ihn sofort gerufen, um festzustellen, ob der Unfall dem Kinde schaden könne, das Margit unter dem Herzen trug. Die Ärzte waren sich darüber noch nicht einig; so etwas stellt sich erst nach ein paar Tagen heraus. Aber Professor Haensel meinte, der Aufprall sei gegen Schulter und Brust gewesen und nicht gegen den Leib. Man könne Hoffnung haben, daß die Schwangerschaft nicht unterbrochen wurde und daß es keine Fehlgeburt geben werde.
    »Was machst du nur für Sachen, madre de Dios!« klagte Lisa Bernhardt und tupfte sich über die schönen schwarzen Augen. »Ich habe Papa noch gar nichts gesagt. Er hat eine Sitzung im Rathaus wegen der neuen Umgehungsstraße. Er wird es erst am Abend erfahren. O

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