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Nacht der Versuchung

Nacht der Versuchung

Titel: Nacht der Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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trat und mit gesenktem Kopf gegen den Sturm ankämpfte.
    Plötzlich senkte sich der Pfad in einen Hohlweg. Es ging steil abwärts, und ehe es Pommer wahrnehmen konnte, rollte er mit großer Geschwindigkeit hinunter. Er versuchte noch, mit dem Rücktritt zu bremsen, und drückte die Handbremse an sich; aber der Wind, der ihm jetzt im Rücken stand, war zu stark, er zwang ihn vornüber in den Hohlweg, das Rad raste abwärts, tanzte über den holprigen Weg. Pommer umklammerte das Lenkrad, zog den Kopf ein und wagte doch nicht, abzuspringen oder sich einfach zur Seite fallen zu lassen.
    Auf halber Strecke erfaßte ihn eine Windbö. Er hörte so etwas wie ein jaulendes Heulen, fühlte sich hochgehoben, aus dem Sattel gerissen, weggeschleudert. Verzweifelt, wie ein Schwimmer im Strudel, versuchte er, mit Armen und Beinen um sich zu rudern, als sei Luft ein kompakter Gegenstand – dann fiel er auf den Boden, rollte wie ein Ball durchs Heidekraut und schlug mit dem Kopf hart gegen einen scharfkantigen Baumstumpf. Es war ihm, als zerberste sein Kopf, Blut rann ihm über die Stirn und die Augen, die Welt wurde rot, der Himmel blutete, es dröhnte wie aus tausend Pauken …
    Ein Schäfer, der seine Heidschnuckenherde zu den umzäunten Nachtplätzen trieb, fand Fred Pommer beim Einbruch der Dunkelheit. Zuerst verbellte ihn der Schäferhund, dann rannte der Schäfer herbei und sah mit einem Blick, was geschehen war. Pommer saß frierend auf dem Baumstumpf, neben sich das fahrunfähig gewordene Rad, und hatte zwei Taschentücher auf die Kopfwunde gepreßt.
    »Mann, was machen Sie denn hier?« fragte der Schäfer und sah sich um, ob noch jemand in der Gegend war.
    »Ich suchte Käfer!« Pommers Laune war auf dem Nullpunkt. »Aber da kam ein Elefant und hat mich gestreichelt.«
    Der Schäfer beugte sich hinunter, nahm die Taschentücher ab und untersuchte die Wunde. In jedem Schäfer steckt ein Medizinmann, sagt man, und wirklich nahm er seine Ledertasche von der Seite nach vorn, holte aus ihr ein großes Pflaster und drückte es Pommer auf die Stirn.
    »Das ist nur provisorisch«, sagte er dabei. »In der Wunde ist Dreck. Sie muß mit Alkohol ausgewaschen werden, dann muß Jod drauf, und eine Tetanusspritze müssen Sie auch haben. Aber das kann ich nicht hier machen. Ich nehme Sie mit.«
    Pommer nickte. Das wird eine schöne Nacht, dachte er. In einem engen Schäferkarren. Auf einer Strohschütte. Romantik ist schön, aber nur, wenn man sie auf Postkarten sieht. Ein Mist ist das, ein verfluchter Mist.
    »Ist es noch weit?« fragte er und stand auf. Sein Schädel brummte noch, er schwankte leicht, als er sich auf das verbogene Rad stützte. Der Schäfer beobachtete ihn genau und nickte mehrmals stumm.
    »Eine Gehirnerschütterung haben Sie auch«, stellte er fest. »Ist Ihnen übel?«
    »Hundsmiserabel! Ich habe das Gefühl, immer kotzen zu müssen.«
    »Dann müssen Sie ins Bett.« Der Schäfer pfiff seine Hunde heran; sie trieben die Heidschnuckenherde zu einem großen Klumpen zotteliger Wolle zusammen. »Wir gehen zum Heidehaus, das ist am nächsten. Morgen kann Sie dann der Krankenwagen abholen. Wenn wir ganz langsam gehen, sind Sie in einer halben Stunde im Bett.«
    Pommer nickte. Ins Heidehaus. Zu Margit. Ins Bett. Er zwang sich, nicht zu lachen. O Schicksal, dachte er. Du hast Humor! Jetzt kann sie mich nicht mehr abweisen. Ich komme als armer, kranker Mann zu ihr. Mit einer Kopfwunde und einer Gehirnerschütterung. Fast fröhlich stolperte er neben dem Schäfer her durch die vom Wind durchheulte Heide. Hinter ihnen folgten in langer, dichter Reihe die Schafe, umkreist von den hechelnden Hunden.
    Es war dunkle Nacht, als sie endlich das Heidehaus erreichten.
    *
    Emma, die treue Seele der Bernhardts, hatte gerade einen großen Pfannkuchen gebacken und füllte ihn mit Erdbeerkonfitüre, als eine harte Faust draußen an die Tür klopfte. Es gab ja keine Klingel. Emma zuckte zusammen, ließ die Pfanne auf den Herd zurückfallen und griff nach einer Eisenstange, die neben dem Küchenschrank lehnte. Dann ging sie resolut durch die Tenne zur Tür, stieß sie auf und hob ihre Waffe.
    »Wenn hier einer reinkommt, dann nur mit eingeschlagenem Schädel!« rief sie. »Wer ist da?«
    »Der Schäfer!« antwortete es aus der Dunkelheit.
    »Das kann jeder sagen!«
    »Wenn ich in den Lichtkreis kommen kann …«
    »Kommen Sie!«
    Emma ließ die Eisenstange sinken, als sie den Schäfer erkannte, und gab den Weg frei. Sie wurde aber nach

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