Nacht der Versuchung
Seitenscheibe blickte. Eine bemerkenswert hübsche Frau und genau der Typ, der auf Fred Pommer flog. Das spürte er mit dem geübten Instinkt des berufsmäßigen Liebhabers.
Er starrte sie an, grinste und überlegte noch, welche Taktik der Annäherung in diesem Fall die beste sei, da öffnete sich die Tür des Karmann, und die Frau stieg aus. Sie trug ein enges Jerseykostüm, und ihre Figur war atemberaubend. Fred hielt den Atem an, als sie direkt auf ihn zukam und ihn anlächelte.
»Herr Pommer?« fragte sie mit einer dunklen, melodischen Stimme.
»Ja«, erwiderte er verdutzt. Woher, zum Teufel, kannte sie ihn?
Ihr Lächeln verstärkte sich. »Guten Tag. Sie werden erstaunt sein, daß ich Sie einfach so anspreche, nicht wahr? Mein Name ist Sonja Richartz. Ich bin eine gute Bekannte von Margit und Klaus Blankers.«
»Soso«, sagte er. Mehr fiel ihm in diesem Moment nicht ein. Auch für einen Fred Pommer kann das Leben Überraschungen bringen, die einem die Sprache verschlagen.
Sonja Richartz faßte ungeniert nach seinem Arm. »Kommen Sie, steigen Sie in meinen Wagen. Ich darf Sie doch nach Hamburg bringen, oder?«
»Ja … wenn es Ihnen nichts ausmacht …« Er spürte den Druck ihrer Hand auf seinem Arm, spürte die Wärme ihres Körpers durch den Stoff hindurch, schnupperte das süße, schwere Parfüm. Ei, ei, dachte Pommer. Da kommt ja das Glück persönlich auf mich zu.
Dann saß er neben ihr in dem eleganten kleinen Coupé. Sonja Richartz startete, fuhr sicher und flott durch die verregneten Straßen, und wenn sie das Lenkrad herumzog, klirrte leise der Schmuck an ihrem Handgelenk. Ein Klasseweib, dachte Pommer. Freddy, du bist und bleibst ein Sonntagsjunge.
»Margit Blankers ist Ihnen doch ein Begriff, oder?« fragte sie endlich, ohne den Blick von der Fahrbahn zu nehmen.
Fred zögerte. Dann entschloß er sich zur Flucht nach vorn: »Ja, ich kenne sie. Ich werde demnächst in der Firma ihres Mannes anfangen.«
Vor Überraschung ließ Sonja Richartz sekundenlang das Gaspedal los. Der Karmann machte einen kleinen Ruck. »Aha«, sagte sie dann leise.
»Warum wollten Sie das wissen, gnädige Frau?« fragte Pommer.
Sie waren jetzt auf der freien, leeren Bundesstraße. Der Wind zerrte die kahlen Chausseebäume hin und her. Sonja Richartz ließ den Wagen ausrollen, stoppte am Rand der Fahrbahn und wandte Pommer lächelnd das Gesicht zu. »Weil ich von vornherein überzeugt war, daß wir beide gemeinsame Interessen haben, Herr Pommer. Jetzt weiß ich es definitiv.« Sie stellte den Motor ab und kam ein Stück näher an Pommer heran. »Lassen Sie mich alles erklären, mein Freund«, sagte sie, und ihre Stimme vibrierte dunkel und melodisch wie ein Cello.
*
Zwei Wochen lang blieb Margit mit der Köchin Emma in der Heidekate. Dann holte Klaus Blankers sie überraschend ab. Aus dem kleinen Birkenwald preschte gegen Mittag plötzlich eine hochrädrige Kutsche mit zwei Pferden, fröhliches Peitschenknallen füllte die Stille. Emma rannte ans Fenster, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und schrie: »Der gnädige Herr kommt! Der gnädige Herr!«
Mit offenen Armen liefen sich Klaus und Margit entgegen. Nach den ersten Begrüßungsküssen, die Emma vom Küchenfenster aus mit feuchten Augen beobachtete, trat Margit einen Schritt zurück und sah Klaus an. »So sieht also ein Mann aus, der aus Spanien kommt«, sagte sie lachend. »Braun, gesund und noch voll der Erinnerung an die schönen, feurigen Mädchen.«
»Voll von Plänen!« Blankers hob Margit hoch und trug sie ins Haus. Behutsam setzte er sie auf den Sessel vor dem Kamin ab und küßte sie noch einmal auf den Mund. »Und du? Wie viele Männer haben dieses Haus nachts umschlichen?«
»Nur einer.«
»Ich bringe ihn um! Wie heißt er?«
»Es ist der Schäfer von Wulfbüttel.«
Sie lachten beide, küßten sich wieder und wirbelten einander an den Händen herum wie die Kinder, bis Margit der Atem ausging und sie keuchend und lachend in den Sessel zurückfiel.
»Ja, und dann war da noch jemand«, sagte sie, nachdem sie wieder zu Atem gekommen war. »Ein verunglückter junger Mann. Er hatte sich abends in der Heide verirrt, mit einem Rad, war gestürzt und wurde vom Schäfer zu uns gebracht. Am nächsten Morgen holte ihn der Arzt mit dem Krankenwagen ab. Der Mann hatte eine Gehirnerschütterung.«
»O je, der arme Kerl.« Klaus Blankers zog die Jacke aus und hängte sie über die Sessellehne. »Meine Frau als Samariterin in der Einsamkeit.« Er
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