Nacht der Versuchung
gebracht hat.«
Er zog von einem kleinen Tisch eine weiße Decke fort. Vor Margits weiten, glänzenden Augen stand das Modell eines idyllischen kleinen Landhauses im Mittelmeer-Stil, mit weißen Mauern, orangefarbenem Dach, an einen felsigen Hang gelehnt. Alles war naturgetreu nachgebildet, das Haus aus Kunststoff, der Felshang aus bemaltem Pappmache. Sogar Palmen und Agaven aus dunkelgrüner Plastikfolie umgaben das Miniatur-Grundstück.
»Wie schön …«, sagte Margit leise. »Hast du das aus Spanien mitgebracht?«
»Es ist eine Schatulle«, sagte Klaus und drückte auf einen Knopf. Das Dach des Modellhauses sprang auf. Innen war roter Samt, und auf diesem Samt lag nichts als ein Schlüssel.
Ratlos blickte Margit zu ihrem Mann auf. Auch ihre Eltern sahen ihn fragend an.
Klaus genoß einen Augenblick lang die allgemeine Verwirrung. Dann räusperte er sich. »Dieses Haus gibt es in natura«, erklärte er. »Es steht an der Costa Brava, in einer idyllischen kleinen Bucht, wo noch nicht die Touristenschwärme alles überfluten. Ich habe es während meiner Reise gekauft. Für dich, Liebling!«
Mit einem Freudenschrei flog Margit ihm um den Hals. Hubert Bernhardt hüstelte und bekam feuchte Augen. Rasch goß er sich ein Glas Kognak ein.
»Süßer die Glocken nie klingen …«, sagte Emma, während sie mit einem Tablett hereinkam. Und einer nach dem anderen stimmte in das Lied mit ein.
*
Monate können wie Wochen sein, Wochen wie Tage, Tage wie Stunden, Stunden wie eben Erlebtes … wenn man glücklich ist.
Margit Blankers ging es so. Sie zählte keine Tage und Wochen, sie lebte ganz in der Liebe und Geborgenheit ihres Mannes. Sie besuchten Opernvorstellungen oder die Winterbälle der Hamburger Gesellschaft. Und Ostern, als Margits Zustand für solche Veranstaltungen zu offensichtlich wurde, fuhren sie in den Schwarzwald.
Von Fred Pommer kam in der ganzen Zeit kein Lebenszeichen mehr. Er schien spurlos verschwunden, und einmal sagte Klaus Blankers zu Margit: »Dein Schützling scheint es sich anders überlegt zu haben. Sonst wäre er doch längst schon mal bei mir aufgetaucht.«
»Wer nicht will, der hat schon«, erwiderte sie leichthin. Innerlich atmete sie auf. Oft erledigen sich die schlimmsten Probleme von selbst, dachte sie. Wer weiß, vielleicht hat Fred eine neue, bessere Geldquelle aufgetan. Oder er hat es aufgegeben.
Mitte Mai nahte die Stunde der Geburt.
Beim ersten Anzeichen der Wehen fuhr Klaus seine Frau in die Privatklinik Professor Möllers, wo seit einer Woche ein Zimmer für Margit freigehalten wurde. Natürlich fuhr Lisa Bernhardt mit. Sie hatte eine überzeugende Erklärung: »Erstens bin ich die Mutter. Zweitens werde ich die Großmutter. Und drittens habe ich Erfahrung im Kinderkriegen.« Punkt drei war etwas übertrieben, denn Margit war ja ihr einziges Kind.
Und dann begann das Warten. Das nervenzermürbende Warten, das von allen Männern, die Vater werden, schlimmer empfunden wird als von den Frauen die Wehen.
Hubert Bernhardt und Klaus Blankers hockten in der Bibliothek der Blankers-Villa, tranken ungewohnte Mengen Alkohol, liefen rauchend hin und her und starrten immer wieder auf das Telefon. Die Stunden vergingen endlos langsam, quälend.
»Ich warte noch eine Stunde«, meinte Klaus schließlich. »Dann fahre ich einfach in die Klinik.«
»Eine Stunde ist so lang«, stöhnte der Baurat. »Bis dahin habe ich längst einen Koller. Wenn ich daran denke, wie die arme Margit jetzt …«
Das Telefon schellte. Blankers stürzte zum Apparat und riß den Hörer hoch. Auch Hubert Bernhardt kam leicht schwankend heran. »Was ist?« fragte er mit schwerer Zunge. »Klaus … so sag doch was! Ist es die Klinik?«
Klaus Blankers winkte heftig ab, lauschte in den Hörer. Dann sah der Baurat, wie sich die Züge seines Schwiegersohnes aufhellten, wie ein Strahlen über sein Gesicht zog, ein beinahe überirdisches Leuchten. »Ein … Mädchen?« stammelte Klaus in das Telefon. »Gesund?« Er warf den Hörer hoch in die Luft, fuhr zu Hubert Bernhardt herum. »Ich habe eine Tochter!« schrie er. »Eine gesunde Tochter von fünfeinhalb Pfund! Hurra!«
Die Oberschwester am anderen Ende der Leitung hatte längst aufgelegt. Sie kannte das.
*
Vierzehn Tage später fand die Taufe statt, in der Christuskirche.
Mutter Blankers war immer noch in Amerika ans Sanatorium gefesselt. Sie telegraphierte ihre innigsten Glückwünsche, wie schon zur Hochzeit. Natürlich war die alte Dame traurig. Es ging ihr
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