Nacht der Versuchung
wieder halbwegs gefangen. Nur ihre Hände bebten noch, als hätte sie einen Schüttelfrost. »Was willst du hier? Unser Diener kommt gleich zurück.«
»Irrtum, mein Mädchen.« Er schob sie einfach vor sich her durch die Diele, hinein ins Kaminzimmer, schloß die Tür hinter sich. »Ich habe euer Haus hier schon seit zwei Stunden im Auge behalten, diskret und vorsichtig, wie ich nun mal bin. Dein treuer Butler verließ es gegen Viertel vor acht. Sicherheitshalber bin ich ihm nachgegangen, bis er in einem Kino verschwand. Dort sitzt er jetzt warm und gemütlich und erbaut sich an der Filmkunst. Die zwei Gesichter einer Frau, heißt der Streifen. Sinnig, nicht wahr?«
Er machte einen weiteren Schritt auf sie zu.
»Bleib stehen!« schrie Margit. Ihr ganzer Körper begann zu beben. »Es geschieht ein Unglück, wenn du noch einen Zentimeter näher kommst! Laß mich in Ruhe und verschwinde!«
Pommer schob die Unterlippe vor. »Wenn du wüßtest, wie hinreißend du jetzt aussiehst«, sagte er mit seiner dunklen, weichen Stimme. Dieselbe Stimme wie damals an der Ostsee, mußte Margit denken. Sie erschrak selbst vor dieser Erinnerung. »Dein wunderbares blondes Haar, deine herrlichen Augen, in denen schon das Verlangen steht … das Verlangen nach mir …«
»Du bist wahnsinnig!« schrie sie. Die Angst schoß wie eine grelle Stichflamme in ihr empor. Sie ging rückwärts, langsam, zitternd, ließ Pommer nicht aus den Augen, der ihr ebenso langsam folgte, erreichte den Kamin, bückte sich. Plötzlich hatte sie einen eisernen Feuerhaken in der Hand. Sie hob ihn hoch und richtete die gebogene Spitze auf Fred Pommer.
»Leg das Ding weg«, sagte er dumpf.
»Nein! Geh, oder ich schlage zu!«
»Margit.« Wieder dieser dunkle, lockende, zärtliche Ton in seiner Stimme. »Spiel mir doch kein Theater vor. Du weißt genausogut wie ich, daß du mir nicht mehr ausweichen kannst. Wir beide kommen nicht voneinander los.«
Sekundenlang schloß Margit die Augen.
Diese Sekunden genügten Fred Pommer. Er machte einen Sprung, war bei ihr, packte ihre rechte Hand und drehte sie herum. Klirrend fiel der Feuerhaken zu Boden. Ehe Margit sich losreißen konnte, hatte er auch ihre linke Hand ergriffen, bog ihre Arme mit einem Ruck nach hinten, so daß sich ihre Brust unter dem dünnen Hauskleid spannte, und preßte sie mit unmenschlicher Gewalt an sich.
»Margit …«, keuchte er. »Ich bin verrückt nach dir.«
»Nein!« schrie sie grell. »Nein, bitte nicht … Fred … es ist Wahnsinn … laß mich los … Freeed!« Ihre Stimme überschlug sich, hallte in dem leeren, großen Haus wider. In dem Haus … und in ihrem Innern.
Plötzlich war alles wieder da. Die Sommernacht. Das Haus an der Ostsee. Der Mond. Freds Stimme an ihrem Ohr, sein heißer Atem an ihrem Hals, seine Lippen auf ihrem Mund, seine Hände an ihrem Körper …
Wieder wurde sie hochgehoben, wieder trug er sie, sie wehrte sich verzweifelt, vergeblich, sie fiel, Stoff zerriß über ihrer Brust, alles verschwamm vor ihren Augen …
»Fred!« schrie sie noch einmal erstickt auf.
Aber Fred ließ sie nicht los. Er kannte kein Erbarmen.
Pommer hielt Margit noch immer auf den Armen, drückte sie an sich, küßte sie auf den Hals, auf den Nacken, obwohl sie sich wie wild wehrte und mit den Fäusten gegen seine Schulter hieb. »Warum tust du das?« keuchte er. »Du kannst mich ja doch nicht vergessen … du gehörst mir … und du weißt es, Margit …«
Wieder drohte ihr Widerstand zu erlahmen. Die dämonische Gewalt, die dieser Mann auf sie ausübte, die Macht der Erinnerung an die Nacht an der Ostsee, der Ton seiner Stimme, die Einsamkeit dieses Hauses, die Resignation … Sekundenlang schloß Margit die Augen, ließ den Kopf an Pommers Schulter sinken.
Da hörte sie einen Schrei. Einen dünnen, quäkenden Schrei, der aus dem Zimmer jenseits der Halle kam. Monika, ihr Kind! Es war wach geworden, es rief sie. Rief sie zur Besinnung, zur letzten, verzweiflungsvollen Abwehr der Versuchung.
»Laß mich los!« schrie sie grell und hieb Pommer mit den Fäusten ins Gesicht.
Er zuckte zurück, auch er hatte das Kind schreien hören und war im Moment ein wenig irritiert. Er schwankte, Margit konnte sich aus seinem Griff befreien, hatte endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Der Bann war gebrochen.
Ehe er sie erneut an sich ziehen konnte, hatte Margit den Raum verlassen und war zu Monika hinübergerannt. Sie warf die Tür des Kinderzimmers hinter sich zu, drehte den
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