Nacht der Versuchung
war ein Teufel. Und Teufel muß man ausrotten.«
»Das ist kein Grund, den die Gerichte anerkennen werden. Mensch, Hubert, du mußt doch von Sinnen gewesen sein!«
»Nein. Ich war ganz klar, so klar wie nie in meinem Leben. Ich habe ihn mit der Sicherheit niedergeschossen, wie ich eine mathematische Formel errechne. Ein Herzschuß. Der Gerichtsarzt wird es bestätigen.«
»Du bist verrückt! Total verrückt!« Dr. Hochheuser kippte den Kognak und schüttete sich wieder nach, randvoll. Seine Hände zitterten dabei, als sei er der Täter. »Wir müssen uns klar sein, Hubert, bevor die Kriminalpolizei kommt und dein Geständnis protokolliert. Du mußt in einem Fall von psychischem Schock gehandelt haben, in einer Affektphase. Du hast doch keinen wohlüberlegten Mord begangen!«
»Doch!« Baurat Bernhardt nickte mehrmals. »Ich wollte Pommer töten. Ich sah keine andere Lösung mehr, um meine Familie vor diesem Ungeheuer zu retten.«
»Ich weiß nicht, was dieser Pommer getan hat, aber ich weiß, was deine Tat für Folgen hat. Hubert … wenn du bei deiner Starrheit bleibst – und die ist ja auch ein Teil deiner noch jetzt anhaltenden Unzurechnungsfähigkeit –, ist das Unglück, das du über deine Familie bringst, größer als das, was du durch den Tod dieses Pommer verhindern wolltest.«
»Ich glaube nicht. Ich habe meine Tochter gerächt.«
»Himmel noch mal, wir leben nicht im alten Griechenland, in Sizilien oder im wilden Kurdistan!« Dr. Hochheuser schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Seine Erregung war ebensogroß wie seine Angst um den Freund. »Ein Mann wie du, und redet von Blutrache! Hubert! Du bist nicht mehr normal! Du hast einen Mann getötet, das ist nicht mehr zu leugnen …«
»Ich gestehe es ja.«
»… über die Motive wird das Gericht entscheiden, aber ich muß dir erklären, daß zwischen Mord und Totschlag ein ziemlich großer rechtlicher Unterschied besteht.«
»Ich kenne ihn, Franz.« Baurat Bernhardt hielt dem Polizeipräsidenten das Kognakglas hin. »Noch einen … wenn du willst. Kann ich noch mal nach Hause, oder muß ich so mitkommen, wie ich bin? Ich hätte meinen Schlafanzug und die anderen Utensilien mitnehmen sollen.«
»Jeder Psychiater, der dich jetzt hört, bescheinigt dir den Paragraphen einundfünfzig!« stöhnte Dr. Hochheuser. Er goß das Glas Bernhardts voll Kognak und reichte es ihm zurück. »Mein Gott, wo kommen wir denn hin, wenn jeder sich das Recht nimmt, den anderen, der ihm nicht gefällt, einfach umzulegen! Hubert, ich begreife das alles nicht. Ausgerechnet du!«
Baurat Bernhardt nickte. Und plötzlich fiel er zusammen, als brächen in ihm alle Knochen. Er hing im Sessel, und sein Gesicht verfärbte sich zu einer leichengelben Farbe. Es war, als erwache er jetzt aus einem tiefen, schrecklichen Traum und erkenne mit Entsetzen, daß es keine Bilder waren, sondern Wahrheiten. Der unnatürlichen Starre, in der er bisher verharrt hatte, folgte eine völlige Auflösung. Er schlug beide Hände vor das Gesicht und warf den Kopf nach hinten an die Sessellehne.
»Ich konnte nicht anders …«, stammelte er. »Gott möge mir verzeihen … Ich war so verzweifelt, so völlig mit den Nerven fertig … Dieses Schwein, dieser Saukerl … und dann meine kleine, arme Margit!«
»Na also«, sagte Dr. Hochheuser mit belegter Stimme. »Da haben wir es. Aber der Skandal ist perfekt.«
Als die Mordkommission, vom Hotel ›Renstmann‹ kommend, im Präsidium eintraf und das Zimmer 100 betrat, saß ein Arzt vor Baurat Bernhardt und gab ihm eine Beruhigungsinjektion.
Bernhardt weinte und schluchzte wie ein Kind. Er hatte einen Nervenzusammenbruch.
*
Polizeipräsident Dr. Hochheuser erreichte es tatsächlich, daß die Verhaftung Bernhardts nicht an die Öffentlichkeit drang. Die Polizei und auch die Justizpressestelle gaben lediglich bekannt, daß der Täter, ein gewisser B. in Untersuchungshaft sitze und gestanden habe. So sehr die Presse auf ihre Informationsrechte pochte – Dr. Hochheuser lehnte alle Erklärungen ab. Auch im Hotel › Renstmann ‹ wußte man gar nichts. Erst durch das Erscheinen der Mordkommission hatte man erfahren, daß auf Zimmer 167 ein Toter lag und ein Mord geschehen war. Hätte sich Bernhardt nicht selbst gestellt, würde die Hamburger Kriminalpolizei vor einem sogenannten ›perfekten Mord‹ gestanden haben.
Dr. Hochheuser ließ es sich auch nicht nehmen, die Nachricht, daß Hubert Bernhardt im Gefängnis saß, der Familie Bernhardt/Blankers
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