Nacht der Zaubertiere
jetzt einen knallroten Kopf gehabt. Er trat vor und sagte: »Brüder, Landsmänner, verehrte Verwandte, bitte vergebt mir, daß ich euch in diesem Aufzug entgegentreten muß. Ich bin zutiefst beschämt. Aber wir kommen von weit her und haben große Gefahren bestanden. Und obgleich ich ständig bestrebt war, mich immer zu putzen, muß ich gestehen, daß es mir nicht ganz gelungen ist.«
Die Graue und die Getigerte hielten einen Katzensprung von ihm entfernt an. Sie kauerten sich hin, duckten den Kopf, zuckten mit der Schwanzspitze und hefteten ihre Blicke unverwandt auf den Gestiefelten Kater. Dieser fuhr fort: »Ich versichere euch, daß meine Stiefel meist Hochglanz zeigen. Daß meine Hose gebügelt und mein Hemd flek- kenlos sauber ist. Auch mein Hut ist gewöhnlich nicht so durchnäßt und formlos und mein Fell auch niemals so schlammverkrustet.« Er musterte nachdenklich seine gespannt lauschenden Verwandten und schloß: »Alles in allem bin ich meistens noch viel besser gepflegt, als ihr es seid. Denn wenn ihr mir eine Bemerkung erlaubt, ein leuchtendes Beispiel für den Katzennachwuchs seid ihr ja gerade nicht.«
Alle drei Katzen, die eine oben auf der Eisenstiege und die beiden vor dem Gestiefelten Kater, fauchten wütend. Eine von ihnen begann, tief in der Kehle zu knurren und zu murren.
»Bitte faßt das nicht als Beleidigung auf«, sagte der Gestiefelte Kater schnell, »aber wir Katzen müssen schließlich in bezug auf unser Äußeres unserem edlen und hohen Ruf entsprechen.«
Hupf trat vor und sagte: »Hör mal, Kater Hamlet, diese Burschen sind Hinterhofkatzen, Räuber und Wegelagerer.«
»Nenn mich nicht Hamlet!« sagte der Gestiefelte Kater. »Sonst bind’ ich dir die Löffel um die Läufe und roll’ dich wie einen Reifen durch die Straße.«
»Vater Isaak —«
»Jaja, ich weiß«, sagte der Gestiefelte Kater. »Vater Isaak hat mich so genannt, weil ich auch so ein furchtloser Prinz bin und vor keinem Gespenst erschrecke. Aber Kater Hamlet hat nur Vater Isaak sagen dürfen. Keiner sonst. Kapiert?«
»Huch, was sind wir leicht beleidigt!« sagte Hupf.
Die Gassenkatzen knurrten und schoben sich einen und dann noch einen Schritt näher. Der Gestiefelte Kater bemerkte, daß an ihren Schnurrbart haaren Müll und Abfall klebte, und war entsetzt.
Hinter ihm befahl Amos: »Alle nebeneinanderstellen. Einen Kreis bilden. Rücken nach innen. Seid darauf gefaßt, daß ihr euch verteidigen müßt.«
»Nein!« rief der Gestiefelte Kater und zog das Gummischwert. »Karamel ist mit dem gräßlichen Köter fertig geworden, der eine Schande für seine Rasse war, da werd’ ich es doch wohl mit so ein paar Katzenkarikaturen aufnehmen können!« Er runzelte verächtlich die Nase: »Schaut sie euch doch an, wer weiß wie lange nicht geputzt! Müllfresser, unmanierliche Grobiane der schlimmsten Sorte.«
Die Tigerkatze machte einen Satz nach vorn.
Der Gestiefelte Kater klatschte ihr das Gummischwert auf die Nase. Die zerzauste Katze schrie, drehte sich um und zog sich erschrocken und vollkommen verstört zurück.
Die Schwarze auf der Feuertreppe fauchte wütend und kam geduckt die Eisentreppe heruntergestiegen.
»Also«, sagte Hupf, »vielleicht sind sie nur so fuchtig, weil sie im Dreck leben müssen. Arme Kerle, kein Zuhause, kein Fernsehapparat und keine Gelegenheit, jemals ins Kino zu kommen. Vielleicht fehlt ihnen nur ein bißchen erstklassige Unterhaltung. Vielleicht wären sie wie ausgewechselt, wenn sie nur ein paar Späße hören —«
Amos stürzte sich von hinten auf das Karnickel, packte es bei den Löffeln, wickelte sie ihm um die Schnauze und zerrte es zurück.
»Pfchchch!«
Da sprang die graue Katze vor.
Der Gestiefelte Kater wich geschmeidig nach links aus, und während die Katze an ihm vorbeisauste, zog er ihr den Degen mit der flachen Klinge über die Rippen.
Die graue Katze kreischte wütend. Doch da hatte die Getigerte wieder Mut gefaßt und griff den Gestiefelten Kater abermals an. Der Gestiefelte Kater machte einen Ausfall und fuchtelte ihr drohend mit dem Gummidegen vor der Nase herum.
Die Katze hielt inne, aber nur, um ihm eins mit . der Pfote drüber zu wischen, was einen fingerlangen Riß in der Weste hinterließ.
»Du Schurke! Du gemeines Ungeheuer!« schrie der Gestiefelte Kater. »Du hast mein Kostüm zerfetzt, das wirst du teuer bezahlen!« Er stürzte sich auf den getigerten Kerl, drosch mit dem Gummidegen auf ihn ein und trieb ihn zurück. Doch da sprang ihn die Graue
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