Nacht der Zaubertiere
Nacht offen hatte. Herinnen war es warm und behaglich, es duftete nach Kaffee, Spiegeleiern und Speck. Die Theke, die Tische und Stühle und die blauen Kunststoffnischen blitzten vor Sauberkeit.
Als Viktor eingetreten war, hatten ihn die beiden Serviererinnen angestarrt, als ob sie ihm mitteilen wollten, daß abgerissene Bettler hier keinen Zutritt
hatten. Doch dann hatte er den schmutzigen und zerrissenen Regenmantel ausgezogen, und weil seine übrige Kleidung, außer den Schuhen und Hosenbeinen, noch einigermaßen in Ordnung war, machten die Mädchen doch keine Einwände. In dem Lokal herrschte kein großer Nachtbetrieb. Die einzigen Kunden waren Polizisten, die paarweise kamen, schnell etwas tranken und wieder gingen.
Viktor setzte sich an einen Tisch am Fenster, das fast völlig beschlagen war. Von außen klatschten Hagel und Schnee dagegen, als ob Hexen mit ihren krummen Fingernägeln über die Scheibe führen.
Viktor bestellte ein Stück Apfelkuchen und Kaffee. Er griff nach einer Papierserviette, wischte ein Stück der Fensterscheibe klar, und während er auf die nasse, düstere Straße hinausblickte, versuchte er, einen Sinn in die Abenteuer dieser Nacht zu bringen.
Er aß nur zwei Bissen von seinem Kuchen. Er blieb ihm in der Kehle stecken. Nur den Kaffee schluckte er leicht. Als er die zweite Tasse fast ausgetrunken hatte, sah er, wie ein schwarzer Bus auf der entgegengesetzten Fahrbahnseite um die Ecke bog. Viktor dachte zuerst, seine Augen gaukelten ihm ein Trugbild vor. Er benutzte eine zweite Serviette, um das Fenster, das wieder beschlagen war, abermals und in einem größeren Umfang klarzureiben.
Ja, es war wirklich ein schwarzer Bus. Ein kohlpechrabenschwarzer Bus. Ein merkwürdiges Fahrzeug.
Amos und die anderen Zaubertiere hatten sich nur widerwillig von dem Elefanten getrennt und folgten nun auf der Suche nach einem Ausgang aus dem Park den verschlungenen Pfaden. Als sie unter den vom Eis tief gebeugten Zweigen immergrüner Büsche durch eine Kuhle hindurchmarschierten, hörten sie das schrille, irre Kichern des Schratz in der Kiste. Das Gelächter schien nicht sehr nahe zu sein. Es klang wie von jenseits des Fußweges, vielleicht sogar jenseits des nächsten Weges, war ein geisterhaftes Gellen, das wie Nebel über den eisigen Boden zu fliegen und von allen Seiten widerzuhallen schien.
»Sie haben uns entdeckt«, sagte Hupf und blieb wie angewurzelt stehen.
»Nein«, antwortete Amos, packte das Karnickel am Arm und zerrte es weiter, »sie sind in der Nähe, aber entdeckt haben sie uns noch nicht. Wenn wir uns aber nicht beeilen, werden sie uns wirklich finden. Wir müssen so schnell rennen, wie wir können . .. Wenn ich auch denke, daß uns der Schratz wahrscheinlich immer einholen wird.«
»Du mußt an etwas Positives denken«, sagte Karamel und trottete neben Amos her. »Vielleicht kriegt der Schratz einen Platten.«
»Doch nicht mit Stahlrädern«, antwortete Amos.
»Dann rast er vielleicht gegen eine Laterne und bleibt ohnmächtig liegen«, schlug der Gestiefelte Kater vor.
»Oder er nimmt eine Abkürzung durch den Elefantenkäfig und wird plattgetreten«, sagte Einstein.
»Oder es landen lauter kleine grüne Männchen in einer fliegenden Untertasse und entfuhren ihn«, sagte Hupf voller Hoffnung.
»Wir können nicht erwarten, daß unsere Rettung von Zufällen oder kleinen grünen Männchen abhängt«, sagte Amos streng. »Gerettet können wir nur werden, wenn wir uns selber retten. Die Guten können nicht dadurch über die Bösen siegen, daß sie einfach gut sind. Sie müssen handeln.«
»Er hat recht«, bestätigte der Alte, indem er sich mit seinem Spazierstock so rasch wie möglich vorwärtsbrachte. »Die Geschichte bestätigt das, was Amos gerade gesagt hat.«
»Los, rennt, schnell«, wiederholte Amos, »und haltet euch unter den Bäumen oder ganz dicht am Gebüsch, denn die Hornisse wird herumschwirren und den Boden beobachten, deshalb müssen wir uns nicht nur schnell bewegen, sondern auch in Deckung bleiben.«
»Aber als die Hornisse gegen das Schild geknallt ist, muß sie doch in Stücke gegangen sein«, sagte der Gestiefelte Kater.
»Das wissen wir nicht mit Sicherheit«, antwortete Amos, »wir müssen damit rechnen, daß sie immer noch da ist.«
»Jaja, du schaffst es immer, uns aufzuheitern«, murmelte Hupf säuerlich.
»Du kannst von Amos nicht erwarten, daß er in dieser Jahreszeit ein sonniges Gemüt hat«, ermahnte ihn Einstein. »Eigentlich müßte er
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