Nacht des Flamingos
ihren Tischen arbeiteten.
Die Kleider des Mädchens lagen säuberlich gefaltet auf einem Tisch am Fenster.
Wade ging die verschiedenen Dinge der Reihe nach durch.
»Die Strümpfe stammen von einer bekannten Herstellerfirma und sind in jedem einschlägigen Geschäft zu haben. Die Unterwäsche wurde im Kaufhaus Mark and Spencer gekauft.«
»Und das Kleid?«
»Nicht gerade billig. Stammt aber genau wie die anderen Sachen von einer Herstellerfirma, die in ganz England vertreten ist. Die Erzeugnisse dieser Firma werden in Dutzenden von Einzelhandelsgeschäften und Warenhäusern geführt. Allerdings haben wir hier eine interessante Entdeckung gemacht. Unter dem Etikett des Herstellers ist offenbar ein Namensschildchen oder etwas Ähnliches herausgerissen worden.«
Er nahm das Kleid in die Hand und wies mit einer Pinzette auf die Rißstelle.
Miller nickte. »Das ist mir auch aufgefallen.«
»Ich habe das Stückchen Stoff, das noch am Kleid hing, mit verschiedenen Wäschestreifen verglichen. Es handelt sich um ein Wäschezeichen der Firma Cash. Sie haben die Dinger sicher auch schon gesehen. Kleine weiße Etiketten, in die mit roter Seide der Name eingestickt wird. Viele Leute kaufen die Wäschezeichen für ihre Kinder, wenn sie ins Internat kommen oder von zu Hause weggehen, um eine Universität zu besuchen.«
»Natürlich«, bestätigte Miller. »Die Dinger kenne ich von meiner Schwägerin. Praktisch jedes Kleidungsstück ihrer beiden Jungen ist mit diesem Wäschezeichen versehen. Ist das alles?«
»Nein, noch eins. Wir überprüften natürlich auch die Fingernägel, beziehungsweise das, was darunter feststellbar war. Und wir fanden eine Spur Ölfarbe. Auch auf dem Kleid entdeckten wir einige Flecke.«
»Eine Malerin also?« meinte Miller.
»So sicher ist das nicht. Heutzutage malen viele Leute zum Zeitvertreib.« Henry Wade lachte und versetzte Miller einen Klaps auf den Rücken. »Sie hätten nicht zur Polizei gehen sollen, mein Junge. Sie nehmen das Leben viel zu ernst.«
Grant saß immer noch in seine Arbeit vertieft hinter seinem Schreibtisch, als Miller den Kopf zur Tür hereinsteckte. »Haben Sie einen Augenblick Zeit für mich?«
»Kommen Sie herein.« Grant lehnte sich zurück und steckte sich eine Zigarette an. »Wie entwickelt sich die Sache?«
»Ziemlich träge. Doch ich wollte eigentlich etwas anderes mit Ihnen besprechen. Kennen Sie einen Mann namens Vernon?«
»Max Vernon, der Bursche aus London, der Faulkners Spielkasino und Wettstellen übernommen hat?« Grant zuckte die Achseln. »Viel weiß ich nicht über ihn. Er wurde mir bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung vorgestellt. Offensichtlich gute Kinderstube und erstklassige Erziehung.«
»Genau, bis hinunter zur Eton-Krawatte.« Miller hätte am liebsten laut herausgelacht. »Er versucht, Lazer unter Druck zu setzen.«
»Was?« rief Grant ungläubig.
»Es ist leider nur zu wahr«, fuhr Miller fort. »Ich saß mit Lazer zusammen in dem kleinen Park vor seinem Klub, als Vernon mit zwei Leibwächtern namens Carver und Stratton auftauchte. Und den Kerlen war nicht zum Scherzen zumute, das können Sie mir glauben. Vernon möchte eine Beteiligung am ›Berkeley Club‹. Er wird natürlich dafür zahlen und keinerlei Ungesetzlichkeiten dulden, aber wenn Lazer damit nicht einverstanden ist, wird er nichts zu lachen haben.«
Grant war wie verwandelt, als er mit rascher, energischer Bewegung auf den Knopf seiner Sprechanlage drückte.
»Setzen Sie sich sofort mit dem Präsidium in London in Verbindung. Ich möchte möglichst erschöpfende Auskünfte über einen gewissen Max Vernon und zwei Männer, die für ihn arbeiten – Carver und Stratton. Auf schnellstem Weg.«
Er wandte sich wieder Miller zu.
»Was war los?«
»Nicht viel, eigentlich. Vernon machte keinerlei kompromittierende Bemerkungen. Oberflächlich betrachtet, möchte er ein ganz legales und reelles Geschäft mit Lazer abschließen.«
»Kannte er Sie?«
»Nein. Lazer stellte mich ihm vor.«
Grant stand auf und trat ans Fenster.
»Die Geschichte gefällt mir gar nicht.«
»Zumindest eröffnet sie ganz neue Blickpunkte«, meinte Miller. »Ich frage mich beispielsweise, ob Vernon nicht auch den Call-Girl-Ring übernommen hat, den Faulkner aufgezogen hatte.«
»Eine interessante Perspektive.« Grant seufzte. »Ein Unglück kommt selten allein. Kommen Sie doch heute nachmittag gegen drei noch einmal bei mir
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