Nacht des Flamingos
ein. Es war anscheinend gerade Vernons Geburtstag, und er ließ eine tolle Party steigen. Fenner erinnert sich an das Mädchen vor allem deshalb so genau, weil Vernon dauernd mit ihr zusammen war und sie nicht aus den Augen ließ. Fenner behauptet, das wäre höchst ungewöhnlich. Normalerweise liebt Max offenbar die Abwechslung.«
»Das ist wirklich interessant«, bestätigte Miller. »Und Fenner ist sicher, daß dies das einzige Mal war, daß er sie gesehen hat?«
»Absolut. Warum? Ist das so wichtig?«
»Möglicherweise ja. Passen Sie einmal auf. Das Mädchen wurde nicht in der Kartei der bekannten Rauschgiftsüchtigen geführt. Wir wissen das. Woher hat sie also das Zeug bekommen? Wenn sie es sich wie viele andere vor der Apotheke am Stadtplatz erbettelt hätte, dann hätte Fenner sie öfter sehen müssen. Ein Süchtiger braucht mindestens eine Spritze pro Tag.«
»Das heißt also, daß jemand mit dem Zeug illegal handelt.«
»Ausgeschlossen ist es nicht.«
Hinter Miller öffnete sich die Tür. Martha Broadribb trat ein.
»Ich muß Schluß machen, Jack«, sagte Miller eilig. »Wir treffen uns in einer halben Stunde im Büro.«
Er drehte sich um und sah Martha Broadribb fragend an. Sie schüttelte den Kopf.
»Tut mir leid, Nicholas. Wir haben nichts gefunden. In unserer Kartei wird nur eine Joanna geführt – eine Krankenschwester aus Mittelamerika.«
Miller seufzte und stand auf.
»Da kann man nichts machen, Martha. Es war jedenfalls einen Versuch wert. Vielen Dank für den Tee. Ich lasse Ihnen eine Aufnahme hier, falls sich doch noch etwas tun sollte.«
Er legte das Foto auf den Schreibtisch. Als er sich zum Gehen wandte, legte sie die Hand auf seinen Arm. Ihr Gesicht verriet Anteilnahme.
»Diese Sache macht Ihnen wirklich zu schaffen, nicht wahr? Lassen Sie den Kopf nicht hängen. Irgendwie wird es schon weitergehen. Das ist immer so.«
Er grinste und drückte ihr einen flüchtigen Kuß auf die Stirn.
»Arbeiten Sie nicht zuviel, Martha. Auf Wiedersehen.«
Die Tür fiel hinter ihm ins Schloß. Einen Augenblick stand sie reglos da und starrte blicklos auf die Tür. Dann holte sie tief Atem, straffte ihre Schultern und setzte sich wieder hinter ihre Schreibmaschine.
Brady saß vor Grants Schreibtisch, als Miller die Tür öffnete und in das Büro des Chefinspektors spähte. Grant bedeutete ihm hereinzukommen.
»Jack hat mir über die letzten Entwicklungen Bericht erstattet. So schlecht scheint sich die Sache gar nicht anzulassen.
Wenigstens haben Sie jetzt einen Namen für sie.«
»Aber leider hat das nicht viel zu bedeuten«, versetzte Miller. »Martha Broadribb konnte uns auch nicht weiterhelfen.«
»Das macht nichts«, meinte Grant zuversichtlich. »Irgendwie wird's schon weitergehen.«
Miller lächelte. »Das höre ich heute schon zum zweitenmal. Hat sich London inzwischen gemeldet? Ist der Bericht über Max Vernon und Konsorten schon eingegangen?«
Grant nickte mit grimmiger Miene.
»Sehr hübsch liest sich das nicht.«
Brady machte Anstalten aufzustehen. Der Chefinspektor wedelte abwehrend mit der Hand.
»Sie können sich das ruhig auch anhören, Jack«, sagte er. »Ich werde das Schreiben sowieso zirkulieren lassen.«
Er setzte seine Lesebrille auf und nahm das Fernschreiben zur Hand, das man ihm zehn Minuten zuvor ins Büro gebracht hatte.
»Fangen wir mit den beiden Leibwächtern an. Ein reizendes Paar. Benjamin Carver, fünfunddreißig Jahre alt. Letzte bekannte Beschäftigung: Tätigkeit als Vertreter. Vorbestraft wegen bewaffneten Raubüberfalls, Einbruchs, schweren Diebstahls und Körperverletzung. Dreiundzwanzigmal wurde er insgesamt zu Vernehmungen aufs Präsidium zitiert.«
»Und Stratton?«
»Noch schlimmer. Ein ganz übler Bursche, völlig unberechenbar und außerdem nicht ganz normal. William ›Billy‹ Stratton, vierunddreißig Jahre alt. Dreimal vorbestraft, unter anderem zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt wegen bewaffneten Raubüberfalls. Erinnern Sie sich an den Goldraub am Knavesmire-Flughafen?«
»War er da beteiligt?«
Grant nickte. »Während seines letzten Aufenthalts hinter schwedischen Gardinen haben sich die Psychiater alle Mühe mit ihm gegeben, aber viel ist nicht dabei herausgekommen. Er hat eine psychopathische Veranlagung und ist immer gleich mit dem Messer bei der Hand. Wenn Sie mich fragen, wird der Bursche früher oder später wegen Mordes auf Lebenszeit im Zuchthaus
Weitere Kostenlose Bücher