Nacht des Flamingos
Nimmerwiedersehen.«
Lazers Gesicht war bleich geworden. Er hatte aufgehört zu spielen.
Mit hängenden Schultern saß er vor dem Klavier.
»Okay – ich sehe ja ein, daß Sie recht haben. Aber was soll ich denn tun?«
»Sie tun gar nichts«, erwiderte Miller. »Überlassen Sie das alles uns. Um welche Zeit machen Sie auf?«
»Um acht. Aber richtig voll wird's erst so zwischen neun und zehn.«
Miller warf Brady einen fragenden Blick zu.
»Haben Sie Lust, ein Spielchen zu wagen, Jack?«
»Und wie!« Brady grinste. »Ich erwarte natürlich, daß mir die Jetons vom Gastgeber zur Verfügung gestellt werden.«
Lazer rang sich ein Lächeln ab.
»Wie ich ruiniert werde, ist schließlich egal.«
Miller klopfte ihm ermunternd auf die Schulter.
»Keine Sorge, Chuck, wir werden schon im richtigen Moment eingreifen. Wer immer heute abend Sand ins Getriebe bringen will, wird sein blaues Wunder erleben.«
Nachdem sie ins Präsidium zurückgekehrt waren, suchte Miller zunächst Chefinspektor Grant auf, um ihm einen Bericht über den Stand der letzten Entwicklungen zu geben. Danach setzte er sich an seinen Schreibtisch und machte sich daran, die Schreibarbeit zu erledigen, die sich aufgestapelt hatte. Kurz vor ein Uhr, als er gerade aufbrechen wollte, um unten in der Kantine etwas zu Mittag zu essen, klingelte das Telefon.
Eine Frauenstimme meldete sich – kühl, ruhig und schwach vertraut.
»Sergeant Miller?«
»Am Apparat.«
»Hier spricht Harriet Craig.«
»Ja, Miß Craig?«
»Hätten Sie wohl heute einen Augenblick Zeit für mich?«
»Natürlich, jederzeit. Wie wäre es heute nachmittag?«
»Nein, das geht leider nicht. Und heute abend gehe ich mit Freunden ins Konzert. Es ist um zehn Uhr zu Ende.« Sie zögerte einen Moment. »Könnten wir uns danach treffen, oder wird Ihnen das zu spät?«
»Keineswegs«, erwiderte Miller. »Soll ich Sie abholen?«
»Könnten wir uns nicht lieber in der ›Romney Bar‹ am Gascoigne Square treffen? Kennen Sie das Lokal?«
»Natürlich.«
»Schön, dann sehen wir uns heute abend um Viertel nach zehn im Vestibül.«
Miller legte auf. Nachdenklich starrte er vor sich hin. Was sie wohl vorhat, fragte er sich im stillen.
9
Im ›Berkeley Club‹ setzte, wie in den meisten anderen Spielklubs, der abendliche Betrieb nur zögernd ein. Dennoch waren Brady und Miller pünktlich um acht Uhr auf dem Posten. Sie hatten es sich in Chuck Lazers Büro bequem gemacht. Durch eine Spiegelglaswand beobachteten sie, was draußen im Spielsaal vor sich ging.
Lazer saß wie immer am Klavier und spielte eine Nummer nach der anderen herunter. Nur gelegentlich unterbrach er sein Spiel, um mit einem bevorzugten Gast kurz zu plaudern. Er sah kühl aus und sehr gepflegt in seinem dunklen Abendanzug. Von der inneren Erregung, die er verspüren mußte, war ihm nichts anzumerken.
Allmählich füllten sich die Räume, und schließlich waren die meisten Plätze an den Spieltischen besetzt.
Es war kurz nach halb zehn Uhr, als Jack Brady plötzlich einen unterdrückten Ruf der Überraschung ausstieß und Miller auf den Arm klopfte.
»Da«, sagte er. »Die drei, die da hinten durch die Tür kommen.«
Miller nickte. »Ich sehe sie.«
»Der Mann vorn ist Charlie Ford. Der unmittelbar hinter ihm ist Frank Butcher. Den hab' ich mal wegen Einbruchs hinter Gitter verfrachtet. Hat ihm drei Jahre eingebracht. Und der kleine Kerl mit dem öligen schwarzen Haar ist Sid Toroff, ein ganz übler Bursche.«
»Nicht von hier, was?«
»Natürlich nicht. Kommen alle drei aus Manchester. Die sind
wahrscheinlich extra eingeschleust worden – bestimmt durch einen Mittelsmann. Sie wissen ja, wie so was gemacht wird. Ich wette, daß die drei nicht mal eine Ahnung haben, für wen sie eigentlich arbeiten.«
Sie warteten weiter. Es dauerte nicht lange, da nickte Jack Brady wieder.
»Ich dachte es mir. Arthur Hart und Martin Dereham – das ist
der Schönling mit der Nelke im Knopfloch und dem Bärtchen. Er spielt den Hochgebildeten aus besten Kreisen, aber er ist bestimmt niemals über die vierte Volksschulklasse hinausgekommen.«
»Okay«, sagte Miller und stand auf. »Ich gehe jetzt hinein. Rufen Sie inzwischen im Büro an. Man soll ein paar Leute herschicken. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.«
In den Spielsälen ging es ruhig zu. Die Gäste waren zum größten Teil Leute mit Geld, die auf eine gepflegte Atmosphäre und gute
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