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Nacht des Ketzers

Nacht des Ketzers

Titel: Nacht des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weinek
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ihrer Brust breit. Wann würde sie ihn wiedersehen? Ihr Sohn nahm sie tröstend in den Arm. Tapfer kämpfte sie gegen die Tränen an, um ihm den Abschied zu erleichtern. Schweren Herzens marschierte Giordano los, aber schon bald obsiegten die Neugierde und die Vorfreude auf das Unbekannte, das ihm noch bevorstand. Vielleicht würde es ihm gelingen, irgendwo eine Professur zu bekommen. Jedenfalls wusste er, dass er Menschen treffen würde, die seine Ansichten zumindest verstehen würden. Mit denen er sich aufs trefflichste über Theologie und Philosophie würde streiten können. Denn nur der Streit, der offene, ehrliche Disput, das wusste er, brachte ihn in seinen Überlegungen weiter. Argument, Gegenargument, These, Antithese.
    Seine Mutter sah ihm noch lange nach, bis sie ihn endlich zwischen den Ruinen am Fuß des Monte Cicala aus den Augen verlor. Auch Guiseppe sah sie, der Giordano in angemessenem Abstand folgte.
    Der kleine Mönch hatte sich in den letzten Wochen äußerlich stark verändert. Die Sonne hatte die blässliche Hautfarbe des Jungen dunkel gefärbt. Er hatte etwas zugenommen, sich die Haare und einen Bart wachsen lassen. Bei Bauern in der umliegenden Gegend hatte er sich als Feldarbeiter verdingt, um das Geld, das er vom Prior erhalten hatte, nicht unnötig auszugeben. Er hatte sich bewusst entschieden, kein Kloster aufzusuchen. So war er unabhängig und konnte den Mitbruder zu jeder Tages- und Nachtzeit überwachen. Auch hatte er die Mönchskleidung vorübergehend abgelegt, um so wenig wie möglich aufzufallen. Wie Giordano hatte auch er versucht, dem einen oder anderen Bauernsohn Lesen und Schreiben beizubringen. Die Knaben waren es auch gewesen, die ihn über dessen Pläne informiert hatten, wenn er wieder einmal, so wie er es im Kloster getan hatte, eine Schar staunender Menschen um sich versammelte, um ihnen Vorträge über den Kosmos zu halten. Nie hatte sich allerdings eine Gelegenheit ergeben, sich Giordano zu nähern und zu erkennen zu geben. Oder scheute er einfach nur die Auseinandersetzung mit dem Älteren, Klügeren? Wie würde dieser reagieren? Würde er ihn, wie so oft schon, vor allen anderen zum Gespött machen? Würde er ihn verjagen? Nein, noch war der Zeitpunkt nicht gekommen, an dem er sich Giordano nähern konnte, um ihn zur Vernunft zu bringen und zur Rückkehr ins Kloster zu bewegen. Noch fühlte er sich nicht stark genug und sicher, dass ihm das auch gelingen würde. Auch hatte er bemerkt, dass sein Mitbruder die Gebetszeiten, wie sie im Kloster vorgegeben waren, nicht mehr einhielt. Lieber blieb er nächtelang wach, um den Sternenhimmel zu beobachten und sich Notizen zu machen. Auch Guiseppe verschlief dann regelmäßig und wurde meist von seinem Dienstherrn oder einem der anderen Knechte unsanft geweckt. Während er dann tagsüber auf den Feldern schuften musste, konnte es sich Giordano im Schatten der Bäume gemütlich machen und sich stundenlang seinen geliebten Büchern widmen oder einfach den Schlaf der vergangenen Nacht nachholen. Auch jetzt, nach einigen Kilometern Fußmarsch, musste er feststellen, dass der andere gut ausgeruht und frohen Herzens mit schnellem Schritt Richtung Norden unterwegs war. Einmal wäre ihm Giordano fast entkommen, als ein Ochsenkarren anhielt, um den Wanderer aufsteigen zu lassen. Aber zum Glück hatte er ihn wenige Stunden später friedlich schlummernd unter einer Pinie wiedergefunden. Zwei Wochen waren sie so unterwegs, bis sie endlich Venedig erreichten, wo sie beide in billigen Herbergen in Mestre Unterkunft nahmen. Die Hafenstadt hatte früher als Befestigungsanlage zum Schutze Venedigs gedient. Jetzt tummelten sich dort Seefahrer, Soldaten und Menschen, die glaubten, dort ihr Glück zu finden.

Kapitel 12
    20. April 1596
     
    Gemächlich schritten die Mitglieder des Heiligen Offiziums die engen Treppen zu den Kerkern der Engelsburg hinab, der Kardinal voran. Papst Clemens hatte sein Erscheinen angekündigt, aber in letzter Minute durch einen Boten ausrichten lassen, dass er verhindert sei. Bellarmin war darüber höchst erfreut, konnte er doch nun in Abwesenheit Seiner Heiligkeit nach Belieben schalten und walten. Den intriganten Beccaria würde er in Schach zu halten wissen. Von della Mirandola drohte ebenfalls keine Gefahr, und die übrigen Mitglieder waren allesamt willige Befehlsempfänger Seiner Heiligkeit. Unselbständige Speichellecker. Am liebsten hätten sie Giordano Bruno gleich nach dem Beginn des Prozesses auf den

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