Nacht des Ketzers
geschmückten Gondeln, dies alles beindruckte ihn so sehr, dass er mit offenem Mund staunend an der Reling stand. Schön war sie, die Stadt, aber alle Schönheit und aller Reichtum konnten das Morbide unter der Oberfläche nicht überdecken. Obwohl der Senat unter Gerolamo Pruli gemeinsam mit der Kirche einen Erlass verfügt hatte, dass die Gondeln nur noch schwarz bemalt werden durften, um so der Prunksucht der reichen Patrizierfamilien Einhalt zu gebieten, umgingen viele dieses Verbot, indem sie die Gondeln mit exotischen Blumen schmückten, die die Handelsschiffe mitbrachten. Giordano stand ungerührt wenige Meter von Guiseppe entfernt und starrte ins Wasser. Allerlei Unrat, Holz, verfaultes Obst, ja tote Ratten trieben in der grünlichen Brühe vorbei, doch dafür hatten weder er noch der kleine Mönch unweit von ihm ein Auge.
Ein alter Mann, der offensichtlich das Schaukeln des Schiffes nicht vertrug, musste sich plötzlich übergeben, und Guiseppe konnte sich nur mit einem Satz zur Seite davor retten, dass seine Kleidung beschmutzt wurde. Der süßliche Geruch des Erbrochenen mischte sich mit dem salzigen Duft des Meeres.
Nahe der Rialtobrücke verließen sie das Boot. Sie überquerten den Fischmarkt, wo sich Bettler, streunende Hunde und Katzen um Fischreste balgten. Der Gestank raubte Guiseppe stellenweise den Atem. Zum Glück war Giordano schnellen Schrittes unterwegs, würdigte die ausgestellten Waren mit keinem Blick. Goldbrasse reihte sich hier an Seezunge, Lotte an Seewolf, Sardellen, Barben und Barsche mischten sich mit Garnelen und Miesmuscheln. Guiseppe hatte Mühe, auf dem glitschigen, von Blut und Schuppen übersäten Steinpflaster nicht auszurutschen. Das Geschrei der Händler war ohrenbetäubend, jeder versuchte, seine Ware unters Volk zu bringen, noch bevor die Sonne sich ihren Weg in die engen Gassen bahnen konnte. Die Köchinnen aus den umliegenden Palazzi feilschten ebenso lautstark, betasteten die Ware und warfen Fisch, den sie nicht für gut befanden, den grimmig dreinblickenden Händlern wieder zurück. Giordano schlug zielsicher seinen Weg Richtung Süden ein.
„Wie viel gebt Ihr mir an Vorschuss für dieses Buch?“ Selbstbewusst, geradezu triumphierend hielt Giordano dem Verleger Mazzi sein Manuskript unter die Nase.
„Nun, verehrter Bruno, lasst sehen, was Ihr zuwege gebracht habt.“ Mazzi nahm Giordano die Blätter aus der Hand und begann darin zu lesen. Die umständliche Handhabung der Brille verriet, dass er noch nicht sehr lange eine Sehhilfe benutzte. Zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand hielt er die beiden durch einen Stiel verbundenen Gläser, mit der rechten blätterte er und nickte dabei immer wieder anerkennend. Das Manuskript war nicht sehr umfangreich, so dass der Verleger sehr schnell die Qualität der Niederschrift erfassen konnte. Unterbrochen von einigen Ahas und Ohs blätterte er Seite um Seite durch. Giordano war beeindruckt von der Vielzahl der Bücher, die sich hier im Arbeitszimmer befanden. Am liebsten wäre er an die Regale gegangen und hätte einen Prachtband nach dem anderen herausgenommen. Der Raum war düster, wohl zum Schutz der wertvollen Einbände. Da die Fenster mit grünem Tuch verhängt waren, musste Mazzi sich ständig über eine Kerze beugen. Als er endlich mit der Prozedur zu Ende war, sah er kurz auf und verließ dann wortlos den Raum. Wieder so ein Narr, dachte Giordano und wollte eben den Raum verlassen, um bei einem anderen Verleger sein Glück zu finden, da kam der Mann, den er um die Mitte sechzig schätzte, lächelnd zurück und drückte ihm einen Lederbeutel, gefüllt mit Liramünzen, in die Hand.
„Nehmt das Manuskript und geht damit zum Buchdrucker Scalferone.“ Noch bevor Giordano fragen konnte, wo er diesen wohl finden könne, streckte ihm Mazzi ein kleines Stück Papier entgegen, auf das er fein säuberlich die Adresse des Buchdruckers geschrieben hatte. „Dann wollen wir hoffen, dass möglichst viele Menschen die Zeichen der Zeit verstehen“, gab er ihm noch mit auf den Weg. Zufrieden verließ Giordano das Haus des Verlegers. Sein erstes Buch. Stolz erfüllte ihn und die Gewissheit, dass ein erster, wichtiger Schritt in Richtung seiner Gelehrtenzukunft getan war.
Guiseppe ertappte sich immer wieder, wie er gebannt dem Verlauf eines Kanals nachblickte, auf dem sich ebenfalls emsiges Markttreiben abspielte. Nur mit Mühe gelang es ihm, Giordano nicht aus den Augen zu verlieren. Seit er aus dem Haus des Verlegers
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