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Nacht des Ketzers

Nacht des Ketzers

Titel: Nacht des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weinek
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kippte. Nun stimmten die Mönche auf den Emporen wieder ihren Gesang an. Mit Giordano Bruno würde er sich noch etwas Zeit lassen. Auch war der Ketzer von der letzten Folter noch so mitgenommen, dass an weitere Verhöre vorerst nicht zu denken war. Die Ärzte hatten die Wunden so weit versorgen können, dass keine Lebensgefahr bestand, und auch die Folterknechte hatten ihre Arbeit so fachkundig getan, dass sie zwar höllische Schmerzen hervorrief, der Gefangene aber trotzdem überlebte.
    Aber wie sollte es mit Bruno weitergehen? Der Kardinal sah wenig Hoffnung, den Unbelehrbaren noch einmal auf den rechten Weg zurückzuführen. Vielleicht war das auch gar nicht mehr nötig. An ihm und Beccaria konnte die Kirche und die heilige Inquisition einmal mehr demonstrieren, was mit denen geschah, die sich dem göttlichen Willen entgegenstellten. Es gab noch viel zu viele im Land, die sich der kirchlichen Ordnung widersetzten, die ketzerisches Gedankengut an den Universitäten oder im privaten Kreis verbreiteten. Ihnen allen sollten die beiden eine Mahnung sein. Es musste endlich Schluss sein mit dem törichten Gerede sogenannter Gelehrter, und man musste dem protestantischen Unwesen, das sich immer weiter in Europa auszubreiten drohte, einen Riegel vorschieben. Warum nicht das Philosophieren überhaupt verbieten? Das wäre doch eine Idee. Gleich bei seinem nächsten Zusammentreffen mit dem Papst und dem Kardinalskollegium wollte er diesen Gedanken erörtern. Die Philosophie verbieten. Zum Heil der Menschheit. Kardinal Bellarmin hatte ein neues Ziel.

Kapitel 45
     
    Giordanos Zahnschmerzen waren immer unerträglicher geworden. In Vichy, der Stadt der Wunderquellen, gab es vielerlei Heilkundige. Sein Weggefährte und er mussten nicht lange suchen, gleich hinter dem Stadttor wurden Schröpfen, Aderlass und Zahnziehen, aber auch Haarschnitt und Rasur angeboten. Mehr oder weniger professionelle Dienstleister kümmerten sich um die Gäste aus nah und fern, die in der Hoffnung, lästiges Rheuma oder Leber- und Gallenprobleme loszuwerden, die Quellen von Vichy besuchten.
    „Lass uns hier hineingehen.“ Die geschwollene Wange machte das Reden schwer. Guiseppe nickte und versorgte die Esel, während der Ältere den Kopf einzog, um durch die niedrige Tür in den von einigen Kerzen erhellten Raum zu treten. Der Bader, ein etwa fünfzig Jahre alter, nicht sehr großer, hagerer Mann, begrüßte ihn mit einem freundlichen Lächeln und bedeutete ihm, auf einen Stuhl nahe einem Kerzenständer Platz zu nehmen. Fachmännisch drückte er am Unterkiefer herum und ließ sich nicht durch Giordanos Wehklagen aufhalten.
    „Mund weit aufmachen“, forderte er, keine Widerrede duldend. Der Leidende tat, wie ihm geheißen, und blitzartig schob ihm der Bader ein kleines Holzgestell in den Mund, das er selbst erfunden und konstruiert hatte. Die ausgeklügelte Konstruktion erlaubte es ihm, dem Patienten eine Art Maulsperre zu verpassen und so das reflexartige Zubeißen zu verhindern, wenn er sich mit seiner Zange an den kranken Zähnen zu schaffen machte. Von hinten umfasste er nun den sich heftig Wehrenden, umklammerte ihn fest mit der linken Hand, schob ihm mit der rechten die Zange in den Mund. Das rechte Bein auf Giordanos Stuhl abgestützt, stemmte er sich mit aller Kraft gegen ihn und rüttelte, zog und hebelte, um den festsitzenden Backenzahn auch nur einen Millimeter zu bewegen. Giordano spürte einen brennenden Schmerz. Dann meinte er ein Knacken zu vernehmen. Die Schmerzen wurden unerträglich. Guiseppe wollte die Prozedur nicht mit ansehen und wartete derweil auf der Straße. Erst jetzt nahm er ähnlich wimmernde Geräusche wie die, die sein Freund von sich gab, hinter verschlossenen Türen wahr.  Humpelnde Menschen mit und ohne Krücken und solche, die ihren Kopf mit einem Tuch verbunden hatten und sich die schmerzenden Wangen hielten, zogen vorbei. Manch einer lächelte bereits wieder erleichtert, hatte er doch die Tortur erfolgreich überstanden. Am Haus gegenüber verabschiedete sich eine dieser gepeinigten Kreaturen, zählte dem Bader ein paar Gulden in die Hand und machte sich schleunigst davon. Der Arzt hatte einen speckigen Schurz um den Wanst und wischte sich darin seine blutigen Finger ab. Freundlich grüßte er herüber und fragte, ob er etwas für Guiseppe tun könne. Der winkte rasch ab und beschäftigte sich mit den Eseln, um nicht noch weitere derartige Angebote zu bekommen. Plötzlich hörte er ein Krachen und Poltern. Rasch

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