Nacht des Orakels
Fuß.
Einer Kugel kann niemand davonlaufen, antwortet Nick.
Ed grunzt etwas, und dann bittet er Nick, Platz zu nehmen, wobei er überraschenderweise auf eine Stelle aus
Walden
anspielt, als er auf den einzigen Stuhl im Zimmer weist. Thoreau hat gesagt, er habe drei Stühle in seinem Haus, bemerkt Ed. Nummer eins zum Alleinsein, Nummer zwei für die Freundschaft und Nummer drei für Gesellschaft. Ich habe nur den einen zum Alleinsein. Rechnet man mein Bett dazu, sind’s vielleicht zwei für die Freundschaft. Aber Gesellschaft gibt’s hier nicht. Davon hatte ich mehr als genug, als ich mit meinem Taxi herumgefahren bin.
Nick lässt sich auf dem Holzstuhl nieder und sieht sich in dem kleinen, sauberen Zimmer um. Es erinnert ihn an eine Mönchszelle oder die Hütte eines Einsiedlers: ein trister, spartanischer Ort, der nur mit dem Nötigsten zum Leben ausgestattet ist. Ein Einzelbett, eine Kommode, eine Herdplatte, ein kleiner Kühlschrank, ein Schreibtisch, ein Regal mit einigen Dutzend Büchern, darunter acht oder zehn Wörterbücher und eine stark abgenutzte
Collier’s Encyclopedia
in zwanzig Bänden. Das Zimmer stellt die Welt eines Menschen dar, für den Beschränkung, Introvertiertheit und Disziplin wichtig sind, und als Bowen seine Aufmerksamkeit wieder Victory zuwendet, der ihn vom Bett aus gelassen beobachtet, bemerkt er ein letztes Detail, das ihm bis dahin entgangen ist. Es hängen keine Bilder an den Wänden, nirgends sind Fotos oder persönliche Gegenstände zu sehen. Einziger Schmuck ist ein Kalender, der über der Kommode an die Wand geheftet ist – von 1945, aufgeschlagen beim Monat April.
Ich stecke ganz schön in der Patsche, sagt Nick, und ich dachte, Sie könnten mir vielleicht helfen.
Kommt drauf an, antwortet Ed und greift nach einer Packung filterloser Pall Mall auf dem Nachttisch. Er zündet sich mit einem Streichholz eine Zigarette an, nimmt einen langen, tiefen Zug und bekommt einen Hustenanfall. Jahre verklumpten Schleims rasseln in seinen eingeschrumpften Bronchien, zwanzig Sekunden lang ist nur das Krachen seiner Lungen zu hören. Als es aufhört, grinst Ed ihn an und sagt: Wenn mich jemand fragt, warum ich rauche, sage ich, weil ich gern huste.
Ich wollte nicht stören, sagte Nick. Vielleicht ist das nicht der richtige Zeitpunkt.
Sie stören nicht. Ein Fahrgast gibt mir zwanzig Dollar Trinkgeld, und zwei Tage später taucht er auf und sagt mir, dass er in Schwierigkeiten steckt. Das macht mich neugierig.
Ich brauche Arbeit. Irgendeine Arbeit. Ich bin ein guter Automechaniker, und ich dachte, Sie haben vielleicht Beziehungen zu der Taxigesellschaft, für die Sie gearbeitet haben.
Ein New Yorker mit Ledertasche und erstklassigem Anzug erzählt, er will als Automechaniker arbeiten. Er gibt einem Taxifahrer viel zu viel Trinkgeld und behauptet dann, pleite zu sein. Und jetzt sagen Sie bestimmt, dass Sie keine Fragen beantworten werden. Hab ich Recht oder nicht?
Keine Fragen. Ich bin der Mann, der vom Blitz getroffen wurde, wissen Sie noch? Ich bin tot, und wer oder was ich früher war, spielt jetzt keine Rolle mehr. Es zählt nur noch das Jetzt. Und eben jetzt muss ich etwas Geld verdienen.
Die Leute, denen dieser Laden gehört, sind Schurken und Idioten. Vergessen Sie diesen Plan, Mister New York. Aber wenn es Ihnen wirklich dreckig geht, hätte ich vielleicht was für Sie im Büro. Dazu brauchen Sie einen kräftigen Rücken und ein Talent für Zahlen. Wenn Sie das vorzuweisen haben, stelle ich Sie ein. Ich zahle anständig. Mag sein, dass ich wie ein armer Mann aussehe, aber ich habe mehr Geld, als ich ausgeben kann.
Das Büro für Geschichtspflege. Ihr Geschäft.
Kein Geschäft. Eher so was wie ein Museum, ein privates Archiv.
Ich habe einen kräftigen Rücken, und ich kann addieren und subtrahieren. Um was geht es bei dieser Arbeit?
Ich bin dabei, mein System neu zu organisieren. Es gibt Zeit, und es gibt Raum. Das sind die beiden einzigen Möglichkeiten. Momentan ist das Ganze geographisch sortiert, räumlich. Jetzt will ich die Methode wechseln und die Dinge chronologisch ordnen. Das ist besser, und ich bedaure, dass ich nicht schon früher darauf gekommen bin. Dazu ist einige Schlepperei vonnöten, und allein schaffe ich das nicht. Ich brauche einen Helfer.
Und wenn ich sagen würde, ich bin bereit, Ihnen zu helfen – wann würde ich dann anfangen?
Sofort, wenn Sie wollen. Wenn ich mir noch die Hose zuknöpfen darf, können wir gleich rübergehen. Und dann
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