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Nacht des Orakels

Nacht des Orakels

Titel: Nacht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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vergiss das nie.»
    Ich hatte keine Ahnung, wie sie das meinte, aber bevor ich sie danach fragen konnte, löste sie sich aus meinen Armen und lief die letzten zehn Meter zum Eingang der Subway. Ich stand wie angewurzelt auf dem Bürgersteig und sah ihr nach. Sie gelangte zur obersten Stufe, packte das Geländer und verschwand die Treppe hinunter.
    Wieder in der Wohnung, vertrieb ich mir die Zeit bis zum Dienstbeginn der Agentur Sklarr um halb zehn mit Haushaltsarbeiten. Ich wusch das Frühstücksgeschirr ab, machte das Bett, räumte das Wohnzimmer auf und ging dann in die Küche und rief Mary an. Der vorgeschobene Grund für den Anruf war, mich zu erkundigen, ob Angela daran gedacht hatte, ihr mein Treatment zu geben; aber ich wusste, das hatte sie, und tatsächlich rief ich daher an, um herauszufinden, was Mary davon hielt. «Gute Arbeit», sagte sie, und das klang weder sonderlich euphorisch noch übermäßig enttäuscht. Dass ich den Entwurf so schnell geschrieben hatte, hatte sie jedoch in die Lage versetzt, ein Wunder an Hochgeschwindigkeitskommunikation zu inszenieren, und dies wiederum ließ sie vor Begeisterung überschäumen. Damals gab es noch kein Fax, keine E-Mails und Eilbriefe; sie hatte das Treatment mit einem privaten Kurierdienst nach Kalifornien geschickt, und das hieß, dass mein Text bereits gestern mit dem Nachtflug durchs Land gereist war. «Ich musste einem anderen Klienten in L.   A. einen Vertrag schicken», sagte Mary, «und hatte den Kurierdienst für drei Uhr ins Büro bestellt. Dein Treatment habe ich gleich nach dem Mittagessengelesen, und eine halbe Stunde später taucht der Bote auf, um den Vertrag abzuholen. ‹Das hier muss auch nach L.   A.›, sage ich, ›das können Sie auch gleich mitnehmen.› Also gebe ich ihm dein Manuskript, und das war’s, einfach so. In drei Stunden müsste es bei Hunter auf dem Schreibtisch liegen.»
    «Großartig», sagte ich. «Aber was hältst du von dem Konzept? Meinst du, es hat eine Chance?»
    «Ich hab es nur einmal gelesen. Keine Zeit, es mir genau anzusehen, aber ich fand es in Ordnung, Sid. Sehr interessant, sauber ausgearbeitet. Aber bei den Hollywood-Leuten weiß man ja nie. Könnte sein, dass denen das zu kompliziert ist.»
    «Also sollte ich mir keine Hoffnung machen.»
    «Das würde ich nicht sagen. Aber verlassen würde ich mich an deiner Stelle nicht darauf.»
    «Tu ich nicht. Aber das Geld wäre schon nicht schlecht, oder?»
    «Na, von dieser Front habe ich gute Neuigkeiten für dich. Ich wollte dich gerade anrufen, aber du bist mir zuvorgekommen. Ein portugiesischer Verlag hat uns für deine letzten beiden Romane ein Angebot vorgelegt.»
    «Portugal?»
    «
Selbstporträt
ist in Spanien erschienen, als du im Krankenhaus warst. Das weißt du, ich hab’s dir erzählt. Die Rezensionen waren sehr gut. Jetzt wollen es die Portugiesen auch bringen.»
    «Sehr schön. Schätze, sie bieten so etwa dreihundert Dollar an.»
    «Vierhundert pro Buch. Aber ich kann sie bestimmt auf fünf hochfeilschen.»
    «Dann mal ran, Mary. Wenn du deine Provision unddie Auslandssteuern abgezogen hast, bleiben mir noch ungefähr vierzig Cent.»
    «Stimmt. Aber immerhin bist du in Portugal auf dem Markt. Ist doch gut, oder?»
    «Sicher. Pessoa ist einer meiner Lieblingsautoren. Die Portugiesen haben Salazar rausgeschmissen, und jetzt haben sie eine anständige Regierung. Das Erdbeben von Lissabon hat Voltaire inspiriert,
Candide
zu schreiben. Und Portugal hat im Krieg Tausenden Juden geholfen, aus Europa rauszukommen. Ein tolles Land. Natürlich bin ich noch nie da gewesen, aber jetzt bin ich dort zu Hause, ob’s mir gefällt oder nicht. Portugal ist genau das Richtige. So wie es für mich in den letzten Tagen gelaufen ist, konnte es nur Portugal sein.»
    «Wovon redest du?»
    «Das ist eine lange Geschichte. Die erzähl ich dir ein andermal.»

 
    Um Punkt eins stand ich vor Trauses Wohnung. Als ich klingelte, fiel mir ein, dass ich von unterwegs etwas zu essen für uns beide hätte mitbringen können; aber ich hatte Madame Dumas vergessen, die Frau aus Martinique, die sich um den Haushalt kümmerte. Die Mahlzeit war bereits fertig und wurde uns in Johns Arbeitszimmer in der zweiten Etage serviert, wo wir auch schon am Samstagabend unser chinesisches Essen zu uns genommen hatten. Ich sollte darauf hinweisen, dass Madame Dumas an diesem Tag frei hatte. Es war ihre Tochter Régine, die mir öffnete und mich zu
Monsieur John
nachoben führte. Ich erinnerte mich,

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