Nacht des Orakels
Entschuldigung für die Schmerzen und Unannehmlichkeiten, dieich ihm bereitet hatte. Ich sagte, dass er mich immer noch zu seinen Freunden zählen könne und dass ich meinen Schreibwarenbedarf weiter in seinem Laden decken werde, auch wenn ich dafür einen so weiten Weg auf mich nehmen müsse. Aber trotz aller Zerknirschung, die ich zu bekunden versuchte, schüttelte Chang nur den Kopf, strich mit der rechten Hand über das Notizbuch und sagte: «Tut mir Leid. Das ist nicht zu verkaufen.»
«Was soll das heißen? Das hier ist ein Geschäft. Hier ist alles zu verkaufen.» Ich nahm zehn Dollar aus meinem Portemonnaie und legte den Schein auf die Ladentheke. «Hier ist das Geld», sagte ich. «Auf dem Preisschild steht fünf Dollar. Also geben sie mir bitte das Wechselgeld und das Notizbuch.»
«Unmöglich. Rotes Notizbuch ist letztes portugiesisches Notizbuch in meinem Laden. Reserviert für einen anderen Kunden.»
«Wenn Sie es für jemand anderen zurückgelegt haben, sollten sie es irgendwo hinlegen, wo niemand es sehen kann. Wenn es offen hier herumliegt, heißt das, dass jeder es kaufen kann.»
«Sie nicht, Mr. Sid.»
«Wie viel will der andere Kunde dafür bezahlen?»
«Fünf Dollar, wie auf Preisschild steht.»
«Gut. Ich gebe Ihnen zehn Dollar, und die Sache ist erledigt. Abgemacht?»
«Nicht zehn Dollar. Zehntausend Dollar.»
«
Zehntausend Dollar?
Haben Sie den Verstand verloren?»
«Dieses Notizbuch ist nicht für Sie, Sidney Orr. Sie kaufen anderes Notizbuch, und alle zufrieden. Okay?»
«Hören Sie», sagte ich und verlor nun doch die Geduld. «Das Notizbuch kostet fünf Dollar, und ich bin bereit,Ihnen zehn zu geben. Aber mehr auf gar keinen Fall.»
«Sie geben fünftausend jetzt, und fünftausend am Montag. Dann ist gut. Wenn nicht, bitte kaufen anderes Notizbuch.»
Ich kam mir vor wie im Irrenhaus. Chang hatte es mit seinem Hohn und seinen absurden Bemerkungen geschafft, dass mir nun endgültig der Kragen platzte. Statt weiter mit ihm herumzufeilschen, schnappte ich ihm das Notizbuch unter der Hand weg und wandte mich zur Tür. «Schluss jetzt», sagte ich. «Sie können mich mal. Da liegt das Geld. Ich gehe.»
Ich war noch keine zwei Schritte weit gekommen, als Chang hinter der Ladentheke hervorsprang und mir den Weg zur Tür versperrte. Ich versuchte an ihm vorbeizukommen, ihn mit der Schulter wegzudrängen, aber Chang stand wie ein Fels, und dann griff er nach dem Notizbuch und wollte es mir aus der Hand reißen. Ich hielt es fest an meine Brust gedrückt, umklammerte es mit aller Kraft, aber der Besitzer des Paper Palace, eine grimmige kleine Maschine aus Draht und Sehnen und harten Muskeln, brauchte keine zehn Sekunden, um mir das Ding zu entwinden. Ich hatte keine Chance, es wieder zurückzuerobern, aber ich war so wütend, so aufgebracht und frustriert, dass ich mit der linken Hand seinen Arm packte und mit der rechten nach ihm ausholte. Es war das erste Mal seit der Grundschule, dass ich jemanden schlagen wollte, und der Schlag ging daneben. Chang antwortete mit einem Karatehieb auf meine linke Schulter. Er traf mich wie ein Messer, der Schmerz war so intensiv, dass ich dachte, mir fällt der Arm ab. Ich sank auf die Knie, und bevor ich wieder aufstehen konnte, fing Chang an,mich in den Rücken zu treten. Ich schrie, er solle aufhören, aber er rammte mir immer wieder die Schuhspitze in die Rippen, in die Wirbelsäule – ein kurzer brutaler Stoß nach dem anderen, während ich mich zum Ausgang wälzte, um schleunigst da rauszukommen. Als kein Blatt Papier mehr zwischen mich und die Metallplatte unten an der Tür passte, drückte er die Klinke; das Schloss klickte auf, und ich kippte auf den Bürgersteig.
«Lassen nie mehr hier blicken!», schrie er. «Nächste Mal ich töte Sie! Haben Sie gehört, Sidney Orr? Ich schneide Ihnen das Herz raus und füttere die Schweine damit!»
Ich habe Grace nie etwas davon erzählt, weder von Chang, noch von der Schlägerei, noch von allem anderen, was an diesem Nachmittag in der Upper East Side passiert war. Jeder Muskel tat mir weh, aber so kräftig Changs rächender Fuß auch gewesen sein mochte, seine Tritte hatten nur minimale blaue Flecke auf meinem Rücken hinterlassen. Offenbar hatten meine Jacke und der Pullover mich vor Schlimmerem bewahrt, und als ich mich erinnerte, wie nahe daran ich bei meinem Streifzug durch die Gegend gewesen war, die Jacke auszuziehen, pries ich mich glücklich, dass ich sie noch anhatte, als ich den Paper
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