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Nacht des Schicksals

Nacht des Schicksals

Titel: Nacht des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grace Green
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gesehen.”
    “Dieses alte Ding?” Er klang ja wie eine Tunte! Am liebsten hätte er sich geohrfeigt. “Die Kinder nennen es meinen Eiscremeanzug. Es muss wohl an der Farbe liegen. Früher kam ein Eiswagen im Sommer bei uns vorbei. Der Fahrer trug ein Jackett in der Farbe.”
    “Aber sein Jackett war bestimmt aus Kunstfaser”, bemerkte sie amüsiert, “während dein Anzug aus reinem Leinen zu sein scheint.”
    “Ja, aber dafür knittert er entsetzlich.” Dieses Gespräch war absurd. Irgendwie hatte er die Kontrolle verloren. “Hayley hat sich schon oft beschwert, dass sie ihn jedes Mal bügeln muss, wenn ich ihn einmal anhatte. Das wäre eigentlich eine Aufgabe für eine Ehefrau.”
    Ehefrau? Fast hätte er aufgestöhnt. Wie war ihm nur dieses Wort dazwischen geraten? Gewöhnlich gehörte es nicht in seinen Wortschatz. Es wurde Zeit, dass er die Situation wieder in den Griff bekam.
    “Hast du denn”, fragte er, “Leinenanzüge für deinen Mann gebügelt?”
    Er sah sie nicht an, aber er konnte spüren, wie sie sich plötzlich verspannte. Nach einer schier endlosen Pause sagte sie: “Nein.”
    “Wo hast du ihn denn kennengelernt? War er auch auf dem College in Vancouver?”
    Stille.
    “Es muss ja Liebe auf den ersten Blick gewesen sein”, fuhr er fort, “dass du so jung geheiratet hast. Jodi erwähnte, dass Megan im Oktober Geburtstag hat. Dann musst du ja um Weihnachten schwanger geworden sein. Gleich im ersten Jahr in der Fremde.”
    Der Verschluss der Handtasche wurde jetzt immer schneller auf- und zugemacht. Brodie warf Kendra einen raschen Blick zu. Sie blickte starr geradeaus.
    “Das stimmt”, sagte sie. “Aber wenn es dir nichts ausmacht … Ich möchte nicht darüber sprechen.”
    Brodie bedauerte, dass er das Thema angeschnitten hatte. Welcher Teufel hatte ihn geritten, darauf zu beharren? Er bremste, als sie sich einer Kreuzung näherten. Wieso wich Kendra ständig aus? War ihre Ehe unglücklich gewesen?
    “Eine letzte Frage”, sagte er, “dann ist Schluss. Versprochen!” Er brachte den Wagen vor der Ampel zum Stehen und drehte sich dann zu Kendra um. “Hast du Megans Vater geliebt?”
    Kendra wandte den Kopf und sah ihn an. Ihr Gesichtsausdruck ließ ihn frösteln. Sie wirkte wie ein Tier in der Falle. “Ich weiß es nicht”, flüsterte sie.
    Kendra legte die zerknüllte Serviette auf den Tisch und sah zu, wie Brodie die Rechnung abzeichnete. Vom ersten Moment an hatte sie gespürt, dass dieser Abend ein Misserfolg werden musste. Als Brodie beharrlich nach ihrer Vergangenheit gefragt hatte, hatte sie sich in ihr Schneckenhaus zurückgezogen und war den ganzen Abend nicht wieder hervorgekommen. Schließlich hatte auch Brodie seine Bemühungen um eine freundliche Konversation eingestellt.
    Sie hätte sich dafür ohrfeigen können, dass sie sich ein halbes Geständnis hatte entlocken lassen. Wie hatte sie das nur zulassen können? Sie hätte ihn kühl damit abspeisen sollen, dass es ihn nichts anginge. Doch als sie die ehrliche Anteilnahme in seinem Blick gesehen hatte, waren ihr die verräterischen Worte wie von selbst über die Lippen gekommen.
    Wieso ließ sie sich immer wieder von Brodie Spencer beeindrucken? Tief in Gedanken versunken, sah sie zu, wie er die Kreditkartenquittung von der Kellnerin entgegennahm … Und als er freundlich lächelnd zu der Frau aufsah, fielen die Puzzleteile in ihrem Kopf plötzlich alle an ihren Platz.
    Zu ihrem Entsetzen stellte sie fest, dass sie dabei war, sich in Brodie Spencer zu verlieben. Nein, sie war nicht dabei – sie hatte sich schon verliebt. Ausgerechnet in Brodie Spencer! Während sie ihn verstohlen musterte, fragte sie sich verwirrt, ob sie womöglich schon immer in ihn verliebt gewesen war.
    Er hatte ihr unterstellt, dass sie ihn damals heimlich beobachtet hatte, während er im Garten von Rosemount arbeitete. Das hatte sie wirklich. Jeden Sommer. Heimlich hatte sie sich nach ihm gesehnt und es sich selbst nicht eingestanden. Sie hatte ihre Gefühle verdrängt, denn sie waren ihr verboten worden. Eine tiefe Kluft hatte sie getrennt. In seiner Welt war sie die hochnäsige Westmore-Göre gewesen und er in ihrer der nichtsnutzige Spencer-Flegel.
    Welche Ironie des Schicksals! Nun, da ihr die Spielregeln der sogenannten Gesellschaft nichts mehr bedeuteten, war ihr Brodie Spencer noch immer versagt. Niemals würde sie ihm ihr Geheimnis offenbaren können.
    Die Kluft war noch immer da. Wie sollte sie eine offene und ehrliche Beziehung zu

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