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Nacht des Schicksals

Nacht des Schicksals

Titel: Nacht des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grace Green
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Ihre Füße steckten in dicken weißen Socken, und das Haar hatte sie sich mit einem gelben Band zusammengebunden. Sie sah verführerischer aus denn je.
    “Warum bist du zurückgekommen, Brodie?” Sie vermied es angelegentlich, das Bett anzusehen. “Zum Gutenachtsagen hättest du mich anrufen können.”
    Er griff nach einem der Gläser und hielt es ihr entgegen. Kendra schloss zuerst die Vorhänge, bevor sie es ihm abnahm. Dann ließ sie sich in den Sessel sinken und sah ihn wachsam an.
    Brodie blieb stehen und ignorierte sein Glas. “Du und ich”, sagte er, “haben noch etwas zu erledigen.”
    Sie trank einen Schluck. “Das ist guter Wein”, stellte sie fest, als hätte sie die Herausforderung in seinen Worten nicht gehört. “Französisch?”
    “Wir müssen darüber reden, dass du dich hier in Lakeview niederlassen willst.”
    “Ich kaufe gewöhnlich einheimischen Wein.” Kendra sprach mechanisch, als hätte sie seine Worte nicht gehört. “Er gewinnt auch im Ausland zunehmend an Ruf und kann sich inzwischen sogar …”
    “Denn wenn das geschieht”, unterbrach er sie, “werden unsere beiden Mädchen sich unweigerlich anfreunden. Meine ganze Familie wird Megan häufig sehen. Ich denke, dann ist es gut, wenn ich etwas mehr über Megans Herkunft weiß.”
    Endlich war er zu ihr durchgedrungen. Er sah, wie ihre Augen aufblitzten. “Zu welchem Zweck?” Die Flammen in ihrem Blick standen in krassem Widerspruch zur Kälte in ihrer Stimme.
    “Um sie besser verstehen zu können”, erwiderte er. “Hatte sie bisher eine glückliche Kindheit? Hat der Tod ihres Vaters sie sehr erschüttert? Jodi war erst zwei, als Jack und Maureen starben. Anfangs war sie völlig verwirrt und hat ständig nach ihren Eltern gesucht. Aber sie war jung genug, um bald darüber hinwegzukommen.”
    “Megan kann sich nicht an ihren Vater erinnern.” Kendra war blass geworden. “Er war kaum zu Hause. Megan und ich waren viel allein, sodass sein Verlust sie nicht allzu sehr belastet hat. Sie hat überhaupt keine Erinnerung an ihn.”
    “Aber sie ist ein Teil von ihm. Fünfzig Prozent, sagt man doch. Kinder bekommen ihre Gene zu gleichen Teilen von ihren Eltern. Was für ein Mann war er, Kendra? Ich sehe viel von dir in Megan, und es ist nur Gutes. Was hat sie von ihrem Vater?” Er sah sie fragend an.
    Sie trank einen großen Schluck und dann noch einen. Schließlich stürzte sie auch den Rest hinunter. Sie beugte sich vor und stellte das leere Glas auf den Tisch. Dann stand sie auf.
    “Du überschreitest deine Grenzen, Brodie.” Zorn blitzte aus ihren Augen. “Unterziehst du jedes Kind, das mit Jodi spielen möchte, einer Psychoanalyse? Es geht mich eigentlich nichts an, aber versuch es nicht mit meiner Tochter!”
    Brodie war nicht beeindruckt. “Was ist das große Geheimnis, Kendra?”, fragte er unbeirrt weiter.
    “Es gibt kein Ge…”
    “Verdammt!”, rief er aus. “Lüg mich nicht an! Nicht schon wieder! Warum willst du nicht über ihn reden? Was hast du zu verbergen? Hat der Mann dich verprügelt? Hat er Megan etwas angetan? Sag es mir!” Er trat auf sie zu und packte sie bei den Schultern. “Erzähl mir irgendetwas über deinen Mann … Sonst muss ich glauben, dass du nie einen hattest.”
    Kendra wurde aschfahl, und in ihren Augen stand blankes Entsetzen. Ihre Angst war fast greifbar.
    “Kendra?” Brodie spürte, wie ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief. “Ist es das? Der Kerl hat dich geschwängert und dich dann sitzen lassen?”
    Sie brauchte nichts zu sagen. Er las die Antwort in ihrem Blick. Er konnte die Scham sehen und die Verzweiflung.
    Sie hatte also die ganze Zeit mit einer Lüge gelebt! Aber warum? Heutzutage brauchte eine Frau doch keinen Ehemann zu erfinden! Ein uneheliches Kind zu haben war kein Problem mehr. Fragen über Fragen stürmten auf ihn ein und verlangten nach Antworten, doch er wusste, dass er Kendra nicht bedrängen durfte. Sie brauchte jetzt Trost.
    Seufzend zog er sie in seine Arme. Er bereute, sie in der Vergangenheit so mit seinen Fragen bedrängt zu haben. Heiser murmelte er eine Entschuldigung. Er war sich kaum bewusst, wie seine Hände über ihren Rücken glitten und wie warm sich ihr Körper unter dem weichen Stoff anfühlte. “Es war also”, sagte er schließlich, “nur eine erfundene Ehe.”
    “Ja”, gestand Kendra. “Und ein erfundener Ehemann. Megans Vater wollte sich nicht binden. Für ihn war ich nur eine Affäre. Er ist nicht einmal lange genug

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