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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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sie war fast schon zu perfekt. Er hatte das sonderbare Gefühl, dass diese Schönheit irgendwie nicht zu ihr passte, sie auf eine Weise oberflächlich und simpel erscheinen ließ, die ihr nicht gerecht wurde.
    »Es ist genauso groß wie meines«, sagte Alcyone und riss ihn aus seinen Überlegungen. Sie war mit der Besichtigung des Zimmers fertig und schaute ihn an – mit gelassenem Blick, jedoch einer gewissen Anspannung in der Stimme. »Aber es ist weit besser ausgestattet.« Es war eine Feststellung, keine Kritik.
    Dumitru nahm die Halsbinde ab und fing an, sein Hemd aufzuknöpfen. Alcys Augen fixierten sofort seine Finger, und ihre Miene schwankte zwischen hungriger Gier und Besorgnis. »Ja«, pflichtete er ihr leichthin bei. »Das andere Zimmer ist seit dem Tod meiner Mutter nicht mehr bewohnt worden, und damals war ich drei, aber dieses hier wurde immer genutzt, seit mein Großvater es vor sechzig Jahren vom Salon abgetrennt hat. Die modernen Stücke hier stammen natürlich alle von mir, die habe ich aus Paris mitgebracht.«
    »Zusammen mit den Kochbüchern«, murmelte sie abwesend, ohne seine Hände aus den Augen zu lassen.
    »Genau.« Er hatte den letzten Knopf geöffnet, zog das Hemd aus und legte es über die spitze hohe Lehne eines gotischen Stuhls. »Sie können sich einfach nicht auf die anstehenden Aufgaben konzentrieren, nicht wahr?«

    Alcyone sah überrascht auf. »Sie meinen, die Einrichtung zu besprechen?«
    »Ich meine den Grund unseres Zusammenseins«, stellte Dumitru mit allem gebotenen Zartgefühl klar. »Allein. Heute Nacht.«
    Zwischen ihren schön geschwungenen Augenbrauen tauchte ganz kurz eine winzige ärgerliche Falte auf, die schnell wieder der gewohnten Glätte wich. »Die anstehende Aufgabe, wie Sie es nennen, ist meine Entjungferung. Es fällt mir schwer, beständig daran zu denken. Wenn ich meine Gedanken darauf richte, entfleuchen sie wie Fische im Wasser, in das jemand einen Stein geworfen hat.«
    »Und warum ist dem so?«, bedrängte er sie. Er hätte sich in Geduld üben müssen, doch er ertappte sich dabei, dass ihm aufrichtig an ihrer Antwort lag.
    Sie schürzte die Lippen. Ihre grünen Augen blickten ernst drein, doch schienen sich ihre Empfindungen, wie immer sie aussehen mochten, nach innen zu richten und nicht gegen ihn. »Erstens habe ich das noch nie gemacht, sodass ich nicht die leiseste Ahnung habe, ob ich gut darin bin.«
    »Und zweitens?« Er zog eine Augenbraue hoch und versuchte, unbeteiligt zu wirken, obwohl er sich das Lachen verkneifen musste.
    »Und zweitens -« Sie stockte. »Zweitens …« Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich, und sie sah wie ein kleines, verängstigtes Kind aus, das entschlossen war, tapfer zu sein. »Zweites bin ich Ihnen ausgeliefert und hänge von Ihrer Nachsicht, Ihrer Freundlichkeit und Ihrer Menschlichkeit ab. Ich liefere mich nur ungern jemandem aus, insbesondere wenn ich keine Hoffnung auf künftige Wiedergutmachung
hegen darf, sollte ich mich in Ihren Absichten und Ihrem Charakter getäuscht haben.«
    Alle Last fiel von ihm ab wie ein schweres Gewicht, und ein Hauch von Kälte streifte seinen Rücken. Ohne nachzudenken, nahm er sie bei den Schultern, zog sie an sich und presste seine heiße Wange an ihre Schulter. Sie fügte sich ungelenk, der erste Anflug von Ungeschicklichkeit, seit er sie kennengelernt hatte.
    Sie war weder klein noch besonders zart gebaut, und doch war sie um so vieles zerbrechlicher, schmaler, schwächer als er. Wie bedrohlich musste ihr diese Diskrepanz erscheinen, schließlich wusste sie, was zwischen ihnen geschehen sollte – was geschehen konnte, insofern er sich dazu entschloss. Der Gedanke war furchteinflößend und abstoßend zugleich. Dennoch erweckte gerade Alcys Verletzlichkeit einen Beschützerinstinkt in ihm, der wenig mit Nächstenliebe zu tun hatte. Unter all den wirren, verblüffenden Emotionen lag ein primitives Gefühl begraben, von dessen Existenz er nichts geahnt hatte, und es sagte: mein . Es lag an ihm, sie zu beschützen, zu halten, zu besitzen. Würde dieser Anteil von ihm sie je aufgeben können? Er wusste es nicht; und er wollte es auch nie herausfinden.
    »Mein Gott, Alcyone«, sagte er heiser. »Hab keine Angst vor mir. Ich werde so sanft sein, wie du es dir wünschst. Ich kann dir nicht versprechen, dass es nicht wehtun wird -«
    »Ich weiß«, unterbrach sie ihn leise und hatte die dunklen Wimpern gesenkt, während sie seine Hände betrachtete. »Das erwarte ich auch nicht.«
    »-

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