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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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unmissverständliche Abfuhr eingefangen und wollte nur noch eines: seinen angekratzten Stolz zusammenraffen und die Flucht ergreifen. Dumitru wartete so lange, bis er sicher war, dass der Mann
auch wirklich fort war, dann ging er nach oben und suchte nach seiner Frau. Er hatte gewonnen, aber der Triumph hatte einen bitteren Beigeschmack, und er wusste, dass etwas nicht stimmte.
    Die gedämpften Geräusche, die aus der angelehnten Tür drangen, sagten ihm, dass sie im ehemaligen Studierzimmer seines Großvaters war. Er hatte das Zimmer nie gemocht, und obwohl er wusste, dass sich kaum noch Sachen von dem engstirnigen alten Mann darin befanden, öffnete er die Tür erst nach einigem Zögern.
    Alcyone weinte. Dumitru erstarrte unter der Tür. Schrecken und Angst trafen ihn wie ein Geschoss in den Magen. Sie war auf dem Stuhl hinter dem Schreibtisch zusammengesunken und schluchzte in ihre verschränkten Arme. Was ist denn los, dachte er verwirrt. Sie hatte Benedek doch höchstpersönlich fortgeschickt. Bereute sie es?
    »Alcyone«, rief er leise.
    Sie fuhr auf, als sie seine Stimme hörte. Sie schniefte und wischte sich schnell die Tränen weg. Dann – als begriffe sie die Zwecklosigkeit des Unterfangens – fing sie an zu lachen, ein hicksendes, verzweifeltes Lachen, das Dumitru ins Innerste traf und ihm die Luft aus den Lungen weichen ließ.
    »Ich … ich liebe ihn nicht … falls du das denken solltest«, sagte sie verunsichert.
    »Nein«, antwortete er leise. »Das habe ich auch nicht gedacht. Als du ihn angesehen hast, wusste ich, dass da keine Liebe ist.« Es war die Wahrheit, seinen zwischenzeitlichen Befürchtungen zum Trotz.
    Alcyone sagte lange nichts, sah ihn nicht einmal an. Sie kämpfte um Selbstbeherrschung, und das Geräusch ihres
keuchenden Atems war der einzige Laut, der die Stille störte. Ihr Schweigen schmerzte ihn mehr, als die bittersten Vorwürfe es vermocht hätten. Dumitru wollte sie in die Arme nehmen, wollte sie an sich drücken, doch er wusste, dass sie seine Berührung jetzt nicht ertragen hätte. Er hatte sie noch nie so verletzlich gesehen, nicht einmal am Tag ihrer Hochzeit, als sie sich so bemüht hatte, eine Frau zu sein, die sie nicht war. Ihre eingefallenen Schultern waren ihm Warnung genug. Er zwang sich, Abstand zu halten, mehr konnte er jetzt nicht für sie tun.
    »Aber bis zu dem Augenblick, als du uns zusammen gesehen hast – hattest du da schon gewusst, dass ich ihn nicht liebe?«, fragte sie schließlich und sah auf. Jetzt war Verletzlichkeit ihre Rüstung, Wehrlosigkeit ihre Verteidigung.
    »Nein«, gab Dumitru zu, und die Wahrheit erstickte ihn fast. »Ich hatte es gehofft, aber wissen konnte ich es nicht, und selbst als ich es dann wusste, hatte ich immer noch Angst, du könntest mich verlassen.« Er zog sich einen Stuhl an den Schreibtisch und setzte sich. Sie wandte ihm das Gesicht zu. Um ihn abzuwehren oder um ihn anzusehen, er hatte keine Ahnung. »Weinst du deshalb?«, fragte er und wusste selbst nicht so recht, wie die Frage gemeint war.
    »Nein. Ja.« Sie verstummte und betrachtete ihre kleinen weißen Hände, die auf ihrem Schoß die Handschuhe hinund herdrehten. »Du hast mir nicht geglaubt. Du hattest kein Vertrauen in mich – in uns, in das, was wir haben. Deshalb hast du ihn dazu gebracht, all diese schrecklichen Dinge zu sagen. Du hast das alles in eine Farce verwandelt und uns zu Narren gemacht, weil du wolltest, dass er mir wehtut – weil du mir wehtun wolltest …«

    Dumitru zuckte zurück. Die Worte trafen ihn wie ein Peitschenhieb ins Gesicht. »Ich wollte dir nicht wehtun«, sagte er gepresst.
    »Nein?« Sie warf ihm einen unergründlichen Blick zu. »Ich glaube kaum, dass du dich viel besser geschlagen hättest, wärst du in seiner Lage gewesen. ›Warum wollen Sie meine Frau denn haben?‹« Sie imitierte Benedeks rollenden Zungenschlag. »›Weil ich ihr Geld brauche, um Schafe zu kaufen und einen Kanal zu graben.‹« Es tat weh, wie sie sich mit Dumitrus Stimme versuchte. »Mich zu heiraten, um eine Revolution zu finanzieren, ist zumindest ein Zeichen von romantischem Idealismus.«
    Sie hielt inne und schloss kurz die Augen. Als sie sie wieder aufschlug, glänzten sie vor Tränen. »Wenn ich ihn geliebt hätte oder auch nur auf seine Ritterlichkeit gebaut hätte, um dir zu entkommen, dann hättest du mir mit deiner Demonstration, was für ein großspuriger, selbstsüchtiger Mann er ist, das Herz gebrochen.«
    »Aber dein Herz gehört mir«,

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