Nacht des Verfuehrers - Roman
presste Dumitru heraus. Die Worte entfleuchten ihm, bevor er überhaupt eine Chance zum Überlegen hatte. Er klappte den Mund zu. Wie konnte er ihr erklären, welch ein Zorn ihn überkommen hatte, als ein anderer Mann sein Schloss, sein Zuhause betreten und seine Frau herausgefordert hatte? Wie konnte er ihr das plötzliche Gefühl der Entfremdung erklären, das er empfunden hatte, als sie dagestanden und Benedek angestarrt hatte, als sei er ein Traumbild? Sicher, da war keine Liebe in ihrem Blick gewesen, aber etwas an ihrem Staunen hatte ihn zutiefst getroffen. Sein Vorhaben, den Mann mit einem Fluch und einer Drohung davonzujagen, war ihretwegen unmöglich geworden, und er hatte im Geiste gesehen,
wie sie auf Benedek zulief und ihn anflehte, sie von Severinor und dem Mann, der sie einfach so genommen hatte, wegzubringen. Eine lächerliche Angst, das wusste er, doch sie drückte ihm selbst jetzt noch Brust und Magen ab, wenn er daran dachte.
»Ich hatte Angst«, gab er schließlich leise zu. »Ich weiß, es war unsinnig, aber als ich ihn gesehen habe, da dachte ich, dass das, was wir haben, dir vielleicht nicht genug ist und dass du mich verlassen könntest …« Seine Stimme verlor sich.
»Es war dennoch grausam von dir«, sagte sie. Es lag kein Tadel in ihrer Stimme, sie stellte es einfach nur fest.
»Ja, das ist wohl richtig.« Er zögerte. »Es tut mir leid.« Wirklich? Wenn er sie tatsächlich verloren hätte – sie, nicht ihre Mitgift, denn er hatte in jenem Moment nicht an Pfund und Taler gedacht, nein, sie …
Alcyone lachte unsicher. Sie war sogar in Tränen aufgelöst schön, die Haut wie zerbrechliches, durchscheinendes Porzellan, und die Augen von einem unwirklich leuchtenden Grün. »Lieber Gott, Dumitru, bitte vertraue mir doch ein wenig.«
Ihre Worte waren wie Messerstiche. »Natürlich«, sagte er, doch er war in Gedanken bei den beiden großen Geheimnissen, die er vor ihr verborgen hielt – seine Pläne, ihre Mitgift betreffend, und seine nicht ganz legale Nebenbeschäftigung, auf die Benedek leider angespielt hatte. Sie braucht es nicht zu wissen, sagte er sich. Er war ein guter Ehemann. Ihr Vater hätte das Geld bestimmt nicht so abgesichert, wenn er geahnt hätte, dass sie einen Mann heiraten würde, dem an ihr lag … Welche Verwendung sollte eine Frau für eigenes Geld haben, insofern ihr Mann kein
Unmensch war? Und was den zweiten Punkt anging, nun … Er musste sie vor seinem Spiel mit den beiden Weltreichen schützen, denn eines Tages konnte es ihn einholen, und dann musste sie unschuldig sein. Es war schlimm genug, dass Nikolai Iwanowitsch von ihrer Existenz wusste, denn die bloße Existenz einer Familie stellte eine Schwäche dar, die der russische Spion wie auch die anderen nutzen könnten.
Alcyone streckte die Hand aus und fasste nach einer Locke auf seiner Schulter. Sie drehte sie um den Finger. »Hast du dein Aussehen verändert, um Benedek ähnlicher zu sein?«, fragte sie. »Um mich zu täuschen, meine ich.«
Dumitru fasste sich ans glatt rasierte Kinn. »Ja. Ich habe eigentlich vor, mir die Haare abzuschneiden und mir wieder einen Bart wachsen zu lassen, aber ich hatte ganz vergessen, wie sehr das juckt; und außerdem entfällt mir ständig, Guillaume um einen Haarschnitt zu bitten, wenn ich mich morgens ankleide.«
Sie strich mit der Hand über sein Kinn. »Die Haare kannst du dir abschneiden, aber dein Gesicht ist mir glatt lieber«, sagte sie fast schüchtern.
Dumitru lächelte. »Aber nicht, weil dich das an Benedek erinnert, oder?«, scherzte er.
»Weil es mich an dich erinnert«, antwortete sie ernst, »als ich dich kennengelernt habe.«
Dann erwiderte sie sein Lächeln, und Dumitru wusste, dass alles gut werden würde – solange seine beiden Geheimnisse nicht ans Tageslicht kamen.
Kapitel 11
Eineinhalb Wochen nach dem Erscheinen Benedeks begann die Ernte, und es brach wie jedes Jahr hektische Aktivität aus. Den Großteil des Jahres waren die Bauern bedächtig, nachdenklich und manchmal sogar schwerfällig, aber Dumitru wusste seit langem – seit der ersten Ernte, die er als Junge von gerade einmal vier Jahren auf Großvaters Knien erlebt hatte -, dass die ruhige Gangart der restlichen elfeinhalb Monate nur die verzweifelte Raserei kompensierte, mit der sie den Sommerweizen sicher in die Scheunen bringen wollten.
Die letzten paar Wochen über hatte er das reifende Gold beobachtet, wie es die letzten grünen Tupfer von den Feldern vertrieb – zusammen mit
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