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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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dem alten Radu, den die Männer im Dorf als den Weisesten unter ihnen betrachteten, was die Erde, das Wetter und die Geschicke anging. Dann war Radu mit großem Publikum – für das Dumitru stillschweigend gesorgt hatte – in Dumitrus Kabinett gekommen, »auf ein paar Worte mit dem jungen Grafen«, während der Rest des Dorfes vor den Türen wartete, bis Dumitru nach draußen trat, um offiziell zu verkünden, dass am nächsten Tag bei Morgendämmerung die Ernte begann.
    Der Ertrag dieses Jahres stand in krassem Gegensatz zu so manchen schmalen freudlosen Ernten, an die sich
Dumitru noch in seiner Jugend erinnerte; damals hatte das grimmige Gespenst der Hungersnot die flüchtige Befriedigung überschattet, die der kurzzeitige Überfluss hervorrief. Jetzt würde man »den jungen Grafen« für eine Weile wie einen Heiligen verehren, doch Dumitru wusste aus Erfahrung, dass der Effekt sich geben würde, sobald alles sicher in den Scheunen verstaut war; dann würden alle Neuerungen mit dem gleichen starrsinnigen Argwohn betrachtet wie zuvor auch.
    Doch im Augenblick waren alle auf den Feldern. Dumitrus Küchenmannschaft war um ein halbes Dutzend Helfer aufgestockt worden, welche die gesamte Bevölkerung von der Schlossküche aus versorgten, damit alle bei der Ernte helfen konnten. Die Männer schnitten das Korn, die Frauen bündelten es, und die Kinder lasen hinter den Schnittern das Feld sauber, warfen Steine nach räuberischen Krähen oder passten auf die Kleinsten auf, deren Mütter im Schatten des nächsten Baumes ausruhten.
    Der Himmel leuchtete die ganze Woche über blau, bis die Rekordernte eingebracht war. Der Regen hielt sich auch noch vier weitere Tage zurück – so lange brauchten die Heuballen zum Trocknen -, obwohl schon alle mit wachsender Sorge zum bewölkten Himmel aufsahen und die alten Männer über Wetterschmerzen klagten. Dumitru war noch dankbarer für das gute Wetter als sonst, denn die Bauern hatten deshalb noch kein endgültiges Urteil über seine Frau gefällt. Man war sich generell einig, dass sie für eine gewöhnliche Frau viel zu schön war. Die eine Hälfte hielt sie für ein Engelswesen, die andere mit der gleichen Überzeugung für eine Hexe. Die Ernte brachte dann die Entscheidung, und die wenigen, die sie noch immer als
Hexe betrachteten, kamen zu dem Schluss, dass sie zumindest eine gute sein musste.
    Viele von den Dörflern machten sich in diesen hektischen Tagen nicht die Mühe, ins Dorf zurückzukehren, und übernachteten stattdessen auf den Feldern, um in den ohnehin schon kurzen Nächten eine halbe Stunde mehr Schlaf abzubekommen. Auch wenn Dumitru ihr raues Lager hätte teilen können, war Alcyone ihm doch Grund genug, nach Hause zu reiten.
    Für einen Grafen wäre es ohnehin nicht passend gewesen, neben seinen Männern zu arbeiten oder zu schlafen, doch Dumitru stand vor Morgengrauen auf und war auf den Feldern, sobald die Arbeit begann; unaufhörlich ritt er von einer Gruppe zur anderen. Er munterte die Erwachsenen auf und scherzte mit den Kindern. Er aß bei ihnen, wenn schon nicht mit ihnen, und sie arbeiteten, sobald er in der Nähe war, noch härter als sonst. Sie wussten, dass er sie mochte und stolz auf sie war. Vielleicht, ging es Dumitru durch den Kopf, ließen sie sich in diesem Jahr ja überzeugen, dass das Neue so gut wie das Alte war. Vielleicht würde diese Ernte den Wendepunkt in der Geschichte seiner kleinen Revolution markieren, und alles würde leichter werden.
    Die Ernte ließ ihm keine Zeit, sich seinen Spionagespielchen zu widmen. Aber seine Agenten und die Nationen, mit denen er zu tun hatte, wussten das seit langem und schickten im Erntemonat keine Boten. Während der ersten beiden Tage sah er seine Frau kaum, und er vermisste ihre gemeinsamen Nachmittage. Doch zu seiner Freude kam Alcy am dritten Tag mit, als die Küche das Mittagessen auf die Felder schickte; sie hatte die Speisen für Dumitru und
sich selbst in Raisins Satteltaschen verstaut. Er lächelte erschöpft, als sie ihm sein Essen reichte, während das Küchenpersonal für die Bauern die Satteltaschen der Kamele entluden.
    »Vater Alesce findet, dass ich mich während der Ernte nicht auf den Feldern sehen lassen soll, als wäre ich eine gewöhnliche Frau, aber die Köchin meinte, dass eine pflichtbewusste Ehefrau ihrem Mann sein Essen durchaus selbst bringen sollte«, erklärte sie lächelnd. »Also habe ich das meine gleich dazugepackt.«
    »Wenn man sich seine Umgangsformen nur sorgsam genug

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