Nacht des Verfuehrers - Roman
Sie starrte eine volle Minute auf die Füße, wie sie schritten, sich kreuzten und hüpften – und verlor jedes Mal den Faden, wenn sie sich in eine Richtung bewegten und nicht mit derselben Schrittfolge zurückkehrten. Aber nach einer Weile schien sie die Schritte nach rechts begriffen zu haben; sie beruhten auf einer ungeraden Zahlenfolge, die für diese drehenden, schwingenden Figuren sorgte.
Sie sah schüchtern auf, als die Männer ihr Beifall klatschten, aber ihr zögerliches Lächeln hätte sie sicher
unterlassen, hätte sie ihre Kommentare verstanden. Da traf ihr Blick Dumitru. Sie stolperte kurz, ihr Lächeln wurde kühl und ihr Blick abweisend, und sie tanzte den Rest des Tanzes plötzlich mit schnellem, sicherem Schritt. Oh, Alcy, dachte Dumitru in einer Mischung aus Resignation und Verzweiflung und wusste nicht recht, weshalb ihn sein Herz so schmerzte.
Die jungen Frauen zogen Alcy wieder und wieder in die Reihe, und Alcy tanzte. Ihr Gesicht wurde von Lied zu Lied blasser, und ihre Schritte wurden schwerfälliger. Schließlich stolperte sie und fiel beinahe hin; da ließen die Mädchen sie endlich in Ruhe. Als wegen des nächsten Tanzes der Platz neben ihr frei wurde, legte sie sich hin und starrte mit glasigen Augen ins Feuer. Sie schlief ein, bevor der Tanz noch vorüber war, und Dumitru beneidete sie darum.
Schließlich ging das Fest zu Ende. Dumitru wurde losgebunden und fortgebracht, während jemand den Rest der Beute zusammensammelte. Er ging über den kalten Boden barfuß in den Schuppen zurück, hinter ihm fiel mit einem letzten dumpfen Schlag der Querbalken zu. Kein Entrinnen, dachte er und wusste vor lauter Erschöpfung nicht, was genau er eigentlich damit meinte.
Alcy wachte kurz auf, weil sie das Gefühl hatte, getragen zu werden. Dumitru?, fragte sie sich benommen. Aber dann fiel ihr auf, dass die Brust, an der sie lag, ausladend und weiblich war und etwas nach Knoblauch roch. Es war die Matriarchin – die Frau des Knez, wie sie mittlerweile wusste.
Sie hatte nicht die Kraft, sich zu wehren, also ließ sie es
zu, dass man sie auf eines der Betten legte, und leistete nicht einmal Widerstand, als zwei Mädchen sich über sie beugten und ihr die Schuhe auszogen. Dann packte man sie unter die Decke, und sie blieb zwischen den beiden dicklichen Bauernmädchen liegen, mit denen sie sich die Bettstatt teilte. Ihr letzter halb benommener, halb verzweifelter Gedanke, bevor der Schlaf sie übermannte, war: Ich weiß nicht, was jetzt aus uns werden soll.
Kapitel 15
Dumitru döste im Sattel immer wieder ein. Er hatte eine schlechte Nacht gehabt, und die Erschöpfung holte ihn ein, zudem erlöste ihn der Schlaf von dem dumpfen Pochen in seinen Armen, die wieder auf dem Rücken gefesselt waren. Das Pony, auf dem er saß, hatte so gar nichts von Beys Anmut und elegantem Schritt, war aber wenigstens trittsicher. Der Gedanke an den Verlust seines Pferdes schmerzte ihn mehr als der Ritt.
Alcy hatte ihn einmal kurz angesehen, als wolle sie etwas sagen, doch er hatte sich abgewandt. Er hatte ihr gesagt, dass er sie liebe und es sogar auch wirklich ernst gemeint. Doch das hatte nichts geändert. Alcyone war immer noch starrsinnig dazu entschlossen, ihn um jeden Preis loszuwerden, und er war genauso entschlossen, sowohl sich selbst als auch sie zu retten und sie beide – heil – nach Severinor zurückzubringen.
Die Gefangenen wurden von den drei Revolutionären und einem halben Dutzend Hajduken eskortiert, die allesamt ritten und ob der zu erwartenden Belohnung bester Laune waren. Die Gentlemen schwiegen, doch die Banditen erzählten einander ungeheuerliche Geschichten von enormen Körperkräften und eroberten Frauen. Sie johlten über schlechte Scherze, pöbelten herum und gratulierten einander, als hätten sie den Sultan selbst gefangen und
nicht einen rumänischen Adeligen. Dumitru ignorierte sie und war froh, dass die glückliche Alcy nicht verstehen konnte, was sie sagten. Sie ritten, hielten an, aßen, ritten – er wagte nicht, daran zu denken, was als Nächstes passieren würde, versuchte, nicht die Kilometer abzuschätzen, die hinter ihnen oder vor ihnen lagen, denn trotz seiner Entschlossenheit fürchtete er, die nächste Station könnte ihre letzte sein.
Sie machten Halt, um an einem Fluss zu nächtigen. Dumitru wurde losgebunden und durfte zum ersten Mal essen und trinken, seit sie am Morgen aufgebrochen waren, wobei einer der Banditen mit der Pistole auf ihn zielte.
Alcyone hingegen
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