Nacht in Havanna
Kanistern mit Speiseöl eingeklemmt war. Arkadi vergewisserte sich, daß die Ausgänge der Lobby unverschlossen waren, bevor er zunächst den Stuhl und die Vorhänge, dann die Chips und das Öl zu dem Popcornautomaten schleppte. Er öffnete die Kanister, goß das zähflüssige Öl über die Treppe des Hotels, breitete die Vorhänge und die Tüten mit Kartoffelchips darüber, bevor er die letzte Tüte mit seinem Feuerzeug in Brand setzte. Oder mit Rufos Feuerzeug, um genau zu sein. Die Plastiktüte fing sofort Feuer, und die trockenen, fettgetränkten Kartoffelchips waren so ziemlich der beste Zunder auf der Welt. Stuhl und Vorhänge waren aus Polyuretan, einer Art festem Petroleum. Speiseöl brannte erst ab einer bestimmten Temperatur, doch wenn es erst einmal Feuer gefangen hatte, war es schwer wieder zu löschen. Danach machte Arkadi sich auf den Weg die Treppe hinauf. Er nahm sich Zeit. Der Alarm, ein altmodischer Klöppel mit Glocke, ertönte, als er noch nicht einmal halb oben war. Vor der Treppenhaustür auf Mostowois Stockwerk blickte er nach unten, wo die Chips leuchtend orangefarben loderten, während dunklere Flammen an den Vorhängen und dem Stuhl züngelten. Die Bewohner drängten sich auf den Baikonen, um das Spektakel eines nahenden Feuerwehrwagens samt Wassertank zu bestaunen, der von einer Motorradeskorte der Polizei angeführt wurde. Das Hotel lag nur wenige Straßen von der Reihe der Botschaftsgebäude in Miramar entfernt, und Arkadi hatte eine rasche Reaktion erwartet. Ein kahlköpfiger Mostowoi in Shorts spähte aus seiner Tür, wagte sich mit den anderen Bewohnern bis ans Geländer der Galerie vor und stürzte zurück in sein Apartment, bevor die Tür hinter ihm zufiel. Die Schaulustigen auf dem Bürgersteig stoben auseinander, als das Öl mit einer gelben Stichflamme vom Popcornautomaten bis auf die Straße hinaus Feuer fing. Der vom Meer wehende Wind, der über das Hotel hinwegstrich, erzeugte ein Vakuum, das eine schwarze Rauchwolke in das Gebäude saugte. Plastikseide wurde aufgeweht, und ein Feuerwehrmann mit Megaphon machte den Zuschauern auf den Galerien Zeichen, das Gebäude zu räumen. Arkadi hielt sich ein wenig abseits, um nicht von hinunterstürmenden Familien niedergetrampelt zu werden. Mostowois Wohnung lag auf der anderen Seite der Galerie und näher an der Treppe. Der Fotograf schlüpfte, mit Hemd, Hose und Toupet bekleidet, wieder auf den Flur, seine Schuhe in der Hand, diverse Kamerataschen über den Schultern - der elegante Typ, der sich ungern hetzen ließ. Noch während Mostowoi zur Treppe ging, trat Arkadi vor seine Tür und zog Pribludas Brieftasche aus seiner neuen Gürteltasche. Beladen mit Ausrüstung, hatte Mostowoi sich nicht die Mühe gemacht, die Tür zu verriegeln, so daß sie nur eingeklinkt war. Arkadi nahm eine Kreditkarte; er hatte so etwas schon in Filmen gesehen, doch noch nie selbst ausprobiert. Wenn es nicht funktionierte, mußte er eben auf Mostowois Rückkehr warten. Er schob die Karte vor den Schnapper und bewegte sie vorsichtig hm und her, während er gleichzeitig an dem Knauf drehte, bis die Tür aufsprang.
Die Wohnung sah wieder aus wie die Residenz eines mittelrangigen russischen Diplomaten im Ausland, verziert mit den Souvenirs eines Mannes, der viel von der Welt gesehen hatte, seine Wohnung sauberer hielt als die meisten Junggesellen, sich für Bücher und die schönen Künste interessierte und seine eigenen kreativen Bemühungen nicht an die große Glocke hing. Das Foto, das Arkadi in dem Video aufgefallen war, hing wieder an seinem Platz an der Wand zwischen dem Bild eines Kollegen am Tower von London und einem anderen mit Freunden in Paris. Das Foto zeigte fünf Männer mit Sturmgewehren um ein totes Rhinozeros, einer stand, vier knieten. Arkadi erkannte, daß die Füße des armen Tiers zerfetzt worden waren und sein Bauch von bloßliegenden Eingeweiden glänzte. Die Männer waren keine Jäger, sondern Soldaten, ein russischer Soldat und drei Kubaner. Ein zwanzig Jahre jüngerer Mostowoi, schon damals mit hoher Stirn. Erasmo, dessen Bart kaum mehr war als ein jungenhafter Flaum. Ein grünschnabelhaft wirkender, schlanker Luna mit einer AK-47 im Arm. Tico mit dem breiten, verwegenen Lächeln eines Anführers statt des kurzsichtigen Zwinkerns eines Mannes, der Löcher in einem Reifenschlauch sucht. Und hinter ihnen, stehend, in einer Safarijacke mit zahllosen Taschen: George Washington Walls. »Der beste Sprengstofftrupp in Angola zeigt einem
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