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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Sprünge helfen«, bot Tey an.
    »Sie können mir gar nichts anhaben«, erklärte Teresa Ofelia. »Ich muß Ihnen nichts sagen.«
    »Hör nicht auf sie.« Ofelia spürte, wie ihr Nacken brannte. »Hör nicht auf sie! Sie sind diejenige, die mir das Leben schwermacht. Sie sind das Miststück, nicht die beiden. Ich verdiene zehnmal soviel wie Sie. Warum sollte ich auf Sie hören?«
    »Herzlichen Glückwunsch, ich setze dich auf die offizielle Liste der Nutten. Du wirst von einem Arzt untersucht und aus Havanna verwiesen.«
    »Das können Sie nicht machen.«
    »Es ist schon so gut wie erledigt.«
    Aber als sie mit Dora auf den Flur trat, mußte Ofelia an ihre beiden Töchter denken und brachte es nicht übers Herz, die Aufnahme von Teresas Namen in die Liste zu verfügen. »Aber sag ihr trotzdem, ich hätte es getan«, befahl sie. »Und laß sie von einem Arzt untersuchen. Er soll sich auch den deutschen Touristen gründlich ansehen und ihm Blut abnehmen, und es darf ruhig ein bißchen weh tun.«
    »Und was soll das Ganze, wenn wir sie sowieso wieder laufen lassen?« Dora hatte die Nase voll vom Straßenkehren. »Es geht mir nicht um die Mädchen, ich bin korrupten PNR-Beamten auf der Spur.«
    »Das heißt, Männern, und von denen gibt es in der PNR Tausende, und nur ein paar von uns. Von ganz oben an abwärts gibt es nur ein großes Augenzwinkern. Alle halten Sie für eine Fanatikerin, und wissen Sie, was Ihr eigentliches Problem ist? Sie sind es nicht.«
     
    Ofelia kehrte zur Casa del Amor zurück, denn auch wenn sie Teresa vielleicht verloren hatte, bestand immer noch die Chance, daß sich Lohmanns italienischer Freund und sein Mädchen weiter im Motel aufhielten. Diesmal würde sie die beiden gleich auf dem Zimmer vernehmen und sich nicht noch einmal in die Nähe der Wache begeben. Das war zwar gegen die Vorschriften, aber die Vorschriften brachten einem nur Demütigungen und Niederlagen ein. Sie brauchte Dora nicht, sie brauchte niemanden. Das war ganz allein ihre Sache.
    Wenn Ofelia wütend war, machte sie immer zwei Schritte auf einmal. Der Eingang zu den Zimmern des Motels lag aus Gründen der Diskretion hinter Trennwänden, die den Flur unterteilten, und am Türknauf des Zimmers neben Lohmanns hing ein Plastikschild mit der Aufschrift »Do not disturb«. Die beiden Jungen spielten ihr endloses Tischtennisspiel, ansonsten war niemand da. Vielleicht war es Glück. Vielleicht war es Dummheit. Sie würde bestimmt nicht begeistert empfangen werden, nicht, wenn das Mädchen auch nur ein bißchen Ähnlichkeit mit Teresa hatte. Welches arme kubanische Mädchen würde nicht glauben, daß es in einem Motel wie diesem im Himmel war? Vor allem, wenn danach ein Einkaufsbummel winkte, bei dem ein neuer Badeanzug für sie abfallen könnte, der ihren süßen Hintern noch besser zur Geltung bringen würde? Oder zumindest die Gelegenheit, Ray-Ban-Sonnenbrillen oder einen Gucci-Schal anzuprobieren?
    Sie klopfte an die Tür. »Zimmerservice.«
    Das Radio lief noch immer. Der Pool lag da wie eine blaue Linse. Die Jungen spielten weiterhin Tischtennis, man hörte das trockene Floppen des Balls gegen ihre Schläger. Eine leichte Brise strich durch die trägen Palmwedel, Ofelia atmete tief ein, es roch vage nach Metzger und Scheunenhof.
    »Polizei!« sagte sie.
    Die Tür war nicht abgeschlossen, aber blockiert, und weil irgend jemand die Lüftung ausgeschaltet hatte und im Zimmer Temperaturen um die dreißig Grad herrschten, war es, als würde sie sich Zutritt zu einem Ofen verschaffen, aus dem ihr der satte Geruch von Blut und Exkrementen entgegenschlug. Mit dem Öffnen der Tür hatte sie eine Leiche beiseite geschoben und versuchte jetzt, sich zwischen einem umgefallenen Stuhl, ausgeleerten Kommodenschubladen, Kleidern und Laken einen Weg zum Fenster zu bahnen, wo sie die Vorhänge aufzog, so daß Licht ins Zimmer strömte.
    Die Leiche, über die sie gestiegen war, war ein nackter dunkelhaariger Europäer, dessen Kopf, Arme, Seiten und Rücken aufgeschlitzt waren. Ofelia hatte einmal die Leiche eines Mannes gesehen, der in einem Kombinat in die Klingen eines Mähdreschers geraten, zermalmt und wieder ausgespuckt worden war, und genauso sah dieser Mann aus, mit dem Unterschied, daß die unterschiedliche Länge und Form der Wunden unverkennbar das Werk einer Machete waren. Auf dem Bett lag eine nackte Frau mit gespreizten Armen und Beinen, ihr Kopf war halb abgeschlagen und verdreht wie der einer Puppe. Bett und Teppich waren

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