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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Er mußte einfach immer weitergehen.
    Erasmo zog die Schutzmaske über seine Nase und setzte die Brille auf, bevor er eine Dose mit einem Plastikdeckel aufhob. »Noch mehr Schießpulver?« fragte Arkadi. »Ein anderer Sprengstoff.« Erasmo öffnete den Deckel und schloß ihn sofort wieder, als würde die Dose Plutonium enthalten. »Geriebene habaneros, der schärfste Chili der Welt. In Afrika habe ich alle möglichen Bomben entschärft. Bomben, die aussahen wie Türknäufe, Wecker, Toilettensitze, Spielzeugflugzeuge oder Puppen. Man muß kreativ sein.« Er drehte die leere Dose zwischen seinen Schenkeln auf den Kopf und bohrte ein kleines Loch in den Boden, in das er das Schießpulver schüttete und festdrückte. »Ich habe in Ihrem Zimmer ein Bild von Ihnen und…« Arkadi probierte die Geste mit dem imaginären Bart für den Namen, den er nicht aussprechen durfte, nur um sich kubanischer zu fühlen. »Fidel«, sagte Erasmo müde. »Und ein weiterer Offizier mit Brille.«
    »Unser befehlshabender General in Angola.«
    »Sie haben eine Menge militärischer Auszeichnungen bekommen.«
    »Die Orden? Ach ja. Nun, was hätte ich wohl lieber, die Orden oder meine Beine? Dreimal dürfen Sie raten. Dabei war ich früher so stolz. Fidel sagte, wir würden nach Afrika gehen, und ich salutierte und sagte: >Zu Befehl, Commandante!< Ich wußte nicht, daß er auch noch Befehle erteilen würde, wenn wir erst einmal dort waren. Fidel saß hier in Havanna und studierte Karten von Angola, die nichts von dem wiedergaben, wo wir uns befanden. Wir hockten zwischen Hügeln und Flüssen, die auf Fidels Karten nicht verzeichnet waren; aber das spielte keine Rolle, er gab Befehl, die Streitkräfte dorthin zu verlegen, wo immer sein Finger landete. Manchmal mußten wir ihn ignorieren, weil es der reine Selbstmord gewesen wäre. Als er das erfuhr, war er furchtbar wütend. Es gab ein kleines Dorf, wahrscheinlich nur ein Fleckchen auf seiner Landkarte. Er sagte, wir müßten es erobern und dort einen Kommandoposten für unser Bataillon einrichten. Wir erklärten ihm, daß es sich bloß um ein paar Hütten, eine Garage und einen Brunnen handeln würde und daß wir selbst durch unsere Feldstecher erkennen könnten, daß die Südafrikaner es komplett vermint zurückgelassen hatten. Wir könnten um das Dorf herumgehen und später dorthin zurückkehren, wann immer er wollte; doch Fidel schickte den Befehl, daß jeder Offizier unserer Einheit des Hochverrats angeklagt werden würde, wenn das Dorf nicht binnen vierundzwanzig Stunden genommen wäre. Also haben Tico, Luna und ein Junge namens Richard die Vorhut gebildet, um den Weg freizuräumen. Vielleicht langweilt diese Geschichte Sie.«
    »Nein.«
    »Also gut. Das Dorf war ausstaffiert und behängt wie ein Weihnachtsbaum. Kleine Plastikminen, in denen man mit dem Fuß hängenbleiben konnte. >Bouncing Betties<, die einem den Oberkörper wegreißen. Claymores mit Stolperdrähten zu so harmlosen Dingen wie einer leeren Dose, die man achtlos aus dem Weg tritt. In der Garage stand ein Wagen, nicht mit Zündschlüssel, das wäre zu offensichtlich gewesen. Ein 54er Ford-Kombi mit Armaturenbrett aus Echtholz. Sie können sich nicht vorstellen, wie wertvoll so ein Fahrzeug in dem Land war. Nur um in die Garage zu kommen, mußten wir ein ganzes Blumenkränzchen von Minen ausgraben. Dann haben wir unter dem Wagen nachgesehen, zuerst mit einem Spiegel, dann auf dem Rücken. Wir haben die Kühlerhaube aus sicherer Distanz mit einem Draht geöffnet, den Motor und jedes Kabel der Elektrik inspiziert. Wir haben das Handschuhfach und den Kofferraum geöffnet, automatische Fensterheber, Sitze und Felgen überprüft. Der Wagen war in einem erstklassigen Zustand, glänzende Felgen, Weißwandreifen. Wir haben die ganze Garage geräumt, bevor ich die Zündung kurzgeschlossen habe. Er ist sofort angesprungen, auch wenn das Benzin ziemlich schnell wieder alle war, aber die Batterie war okay, und alles schien in Ordnung. Alle kamen johlend in die Garage gelaufen, und Richard trat gegen einen der Reifen. Das war das einzige, was ich nicht überprüft hatte, die Reifen.« Erasmo drückte eine Pappscheibe auf das Schießpulver. »Das war das Ende von Richard. Außerdem hat sich die Stoßstange gelöst, ist wie ein Hubschrauber durch die Luft rotiert und hat Tico erwischt. Wir haben über Funk einen Krankenwagen gerufen. Unterwegs fuhr er in eines der Löcher, wo wir eine Mine ausgegraben hatten, kam von der Straße ab und

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