Nacht ist der Tag: Roman (German Edition)
gut.
Gleich nach der Mittagspause schrieb Hubert Arno, dass er gern kommen wolle.
Im Juli fuhr er mit Astrid und Lukas in die Sommerferien. Sie hatten das Ferienhaus schon kurz nach Weihnachten gebucht. Hubert hatte Astrid angeboten, sie könne mit Rolf hinfahren, aber sie sagte, so weit seien sie noch nicht. Sie habe kein Problem, mit ihm Ferien zu machen.
Während der zwei Wochen in Dänemark war das Wetter meist kühl und regnerisch. Lukas langweilte sich. Sie unternahmen alles Mögliche, besuchten einen Safaripark, einen zum Museum umgebauten Dreimaster und eine Glashütte, in der Lukas sich einen Abdruck seiner Hand aus Glas gießen durfte. Hubert konnte sich zumindest tagsüber einbilden, sie wären noch immer eine Familie. Auch Lukas schien es zu genießen, dass sie wieder alle zusammen waren. Astrid bekam dauernd Kurzmitteilungen und mindestens einmal pro Tag einen Anruf. Dann ging sie in einen anderen Raum oder machte, wenn sie draußen waren, ein paar Schritte von ihnen weg. Hubert beobachtete sie aus der Entfernung. Sie war ernst, und nach diesen Gesprächen noch gereizter als vorher.
Wenn Lukas abends im Bett war, blieben Astrid und er im Wohnzimmer sitzen, lasen und tranken Rotwein. Irgendwann sagte Astrid dann, sie sei müde und ging ins Bad. Hubert legte sein Buch weg und lauschte auf die unvertrauten Geräusche in diesem fremden Haus, das Knarren der Treppe, das Rauschen der Wasserleitungen, des Windes, der hier immer wehte. Er wartete eine halbe Stunde, bis auch er ins Bad ging. Sie schliefen in getrennten Zimmern, aber einmal, als Astrid aufstand, um ins Bett zu gehen, sagte sie leise, kommst du? Er ging dicht hinter ihr die Treppe hoch. Oben nahm sie ihn an der Hand und zog ihn in ihr Zimmer.
Am Morgen erwähnte keiner von ihnen, was in der Nacht geschehen war, aber während der verbleibenden Ferientage hakte Astrid sich beim Spazieren bei Hubert ein oder gab ihm einen Kuss auf die Wange, wenn er ihr und Lukas ein Eis geholt hatte. Manchmal musste er plötzlich daran denken, dass es vermutlich ihre letzten gemeinsamen Ferien waren.
Die Nähe während der zwei Ferienwochen hatte sie noch mehr voneinander entfernt. Ihr Verhältnis wurde immer kollegialer, sie stritten sich kaum mehr, wenn sie sich sahen, glichen ihre Termine ab und besprachen, wer Lukas wann von der Schule oder vom Hort abholen und wer ihn an welchem Wochenende betreuen würde. Astrid fragte, ob Hubert wisse, wo der Garantieschein der Kaffeemaschine sei, oder bat ihn, am Wochenende den Schlauch von Lukas’ Fahrrad zu flicken. Sie redeten über ihre Arbeit, und manchmal erzählte Astrid sogar von Rolf, und Hubert hörte zu, ohne sie zu unterbrechen.
Im Garten gab es viel zu tun, Hubert kümmerte sich darum. Dabei vermied er es, ins Haus zu gehen. Nur wenn er Werkzeug aus dem Keller brauchte, ging er hinein. Lukas kam oft raus, spielte in seiner Nähe und schielte dabei zu ihm herüber. Manchmal bat Hubert ihn, drinnen etwas zu holen, dann sprang er auf und lief ins Haus, als wäre es auch ihm lieber, wenn es sein Vater nicht betrete.
Hubert gewöhnte sich immer mehr an die neue Situation, aber er verweigerte jeden Kontakt mit Rolf. Wie um ihn dafür zu strafen, erzählte Astrid immer öfter von ihrem Freund. Er habe ein eigenes Büro für Laufbahnberatung. So nenne er es, aber in Wirklichkeit gehe er viel weiter.
Er arbeitet nach einem ganzheitlichen Ansatz, er fühlt sich in sein Gegenüber ein und kann dann praktisch auf der Zeitachse nach vorn und nach hinten gehen und Tipps geben, ganz konkrete Sachen.
Ist er dein Geliebter oder dein Guru?, fragte Hubert.
Weder noch, sagte sie. Wenn er hier übernachtet, schläft er im Gästezimmer.
Nachdem das Semester wieder angefangen hatte, hatte Hubert nur selten Zeit, an die Einladung in die Berge zu denken. Im Garten war weniger zu tun, und er ging nur noch zu Hause vorbei, um Lukas für das Wochenende abzuholen oder um ihn zurückzubringen. Er versuchte aus dem Jungen rauszukriegen, was zwischen Rolf und seiner Mutter lief, fragte, worüber sie sprachen, was sie unternahmen. Aber Lukas wollte nicht darüber reden.
Im Herbst organisierte Hubert eine Ausstellung für seine Studenten, und kaum war diese vorbei, begann die Planung für einen Künstlerball Ende des Semesters. Die Arbeit war ihm nicht unwillkommen, seit er alleine wohnte, hatte er viel freie Zeit, besonders an den Abenden. Manchmal ging er ins Kino oder ins Theater, Freunde traf er selten. Nachdem Lukas geboren
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