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Nacht ist der Tag: Roman (German Edition)

Nacht ist der Tag: Roman (German Edition)

Titel: Nacht ist der Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stamm
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Gäste und redete mit manchen ein paar Worte.
    Kaum hatten sie sich gesetzt, sagte Jill, sie habe eine gute Nachricht für Hubert. Und ich habe eine für dich, sagte er. Du fängst an. Wir haben einen Ersatz für dich gefunden, sagte Jill, eine junge Künstlerin aus Deutschland, die ohnehin raufkommen sollte. Thea Genser, vielleicht kennst du sie? Arno hat schon vor ein paar Tagen mit ihr telefoniert, jetzt kommt sie halt etwas früher als geplant und bringt eine Werkgruppe mit, die sie vor einiger Zeit fertiggestellt hat. Hubert schüttelte lachend den Kopf und sagte, das sei nicht nötig, er habe eine Idee gehabt. Wann?, fragte Jill.
    Hubert erzählte ihr von seinem Vorhaben. Wir haben aber Thea fest zugesagt, sagte Jill. Sie war auch schon mal hier.
    Ihr hättet doch wenigstens mit mir reden können, sagte Hubert.
    Arno hat die ganze Zeit versucht, dich zu erreichen, sagte Jill, aber du bist ihm immer ausgewichen. Ich werde noch einmal mit ihm sprechen.
    Der Speisesaal begann schon sich zu leeren, trotzdem setzte sich ein junger Mann zu ihnen. Als er seinen Vorspeisenteller geleert hatte und zum Buffet ging, sagte Jill, das sei das Konzept des Clubs, niemand solle allein sitzen. Hubert hätte sich gern in Ruhe mit ihr unterhalten, aber der junge Mann mischte sich in ihr Gespräch ein und erzählte mit vollem Mund von einer Bergtour. Zwölfhundert Höhenmeter, sagte er. Jill lobte ihn für seine Leistung. Als sie aufstand, um sich ein Dessert zu holen, legte sie ihm kurz eine Hand auf die Schulter. Hubert folgte ihr zum Buffet, holte sich aber nur eine Tasse Kaffee.
    Was ist das denn für ein Typ?, fragte er. Hast du was mit dem?
    Das gehört zum Job, sagte Jill, dass ich mich mit den Gästen unterhalte.
    Und wenn dich einer nervt?, fragte Hubert.
    Kaum hatte Jill ihren Apfelstrudel gegessen, sagte sie, sie müsse sich jetzt umziehen und schminken für die Vorführung.
    Sehen wir uns danach an der Bar?
    Nachdem sie gegangen war, erzählte der junge Mann Hubert noch einmal die ganze Geschichte von seiner Bergtour, als hätte er sie nicht schon gehört. Hubert stand auf und ging an die Bar.
    Auf den Sofas und Sesseln bei den Fenstern saßen einige Paare, in ihrer Mitte stand ein Hotelangestellter und stellte mit breitem schwäbischem Akzent Fragen. Es schien eine Art Quiz zu sein, wer die Antwort kannte, musste ein Wort rufen, das Hubert nicht verstand.
    Er ging nach draußen und spazierte etwas im Hotelpark. Als er zurückkam, waren die Türen zum Theatersaal geöffnet, er setzte sich möglichst weit abseits von den vielleicht zwei Dutzend Hotelgästen, die auf den Beginn der Vorstellung warteten. In der vordersten Reihe saß der junge Mann vom Abendessen.
    Das Stück war banal, aber manchmal musste Hubert trotzdem lachen. Dem übrigen Publikum schien es zu gefallen. In einer Szene goss die schöne Tochter ihrer hässlichen Schwester den vollen Nachttopf über das Kleid. Jill musste ihr Dirndl ausziehen und stand in altertümlicher Unterwäsche auf der Bühne, was ihr einen Zwischenapplaus eintrug. Sie spielte nicht besonders gut, aber besser als die anderen, und es machte ihr sichtlich Spaß. Am Schluss bekam auch die hässliche Tochter ihren Mann, Toni, einen tumben Knecht in Lederhosen. Unter großem Applaus verbeugte sich die Truppe, und das Licht ging wieder an.

    Hubert wartete an der Bar, aber statt Jill stand plötzlich Arno vor ihm. Er trug eine Papierrolle unter dem Arm. Jill hat mich angerufen, sagte er. Ich habe eine Idee für die Ausstellung, sagte Hubert. Es tut mir leid, aber jetzt ist es zu spät, sagte Arno. Hubert hatte das Gefühl, in seiner Stimme Schadenfreude zu hören. Ich habe schon alle Plakate überklebt. Er entrollte eines der hellblauen Plakate, die er bei sich trug. Thea Genser, Durch Wasser / tras aua .
    Sie fotografiert leere Freibäder im Winter, sagte Arno, eine starke Arbeit.
    Ich verstehe den Titel nicht, sagte Hubert. Er bestellte sich noch ein Bier und sah am anderen Ende der Bar Jill und den jungen Mann vom Abendessen, die sich angeregt unterhielten. Arno sagte, er müsse weiter. Hubert nahm sein Glas und ging hinüber zu Jill. Sie lachte gerade laut auf.
    Armin hat gemeint, ich trage immer solche Unterwäsche.
    So bescheuert kann er doch nicht sein, sagte Hubert.
    Die beiden schwiegen.
    Ich habe eher das Gefühl, er will dir an die Unterwäsche, sagte Hubert.
    Einen Moment, sagte Jill zu Armin.
    Sie nahm Hubert am Arm und führte ihn zur Tür.
    Hör bitte auf, unsere Gäste

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