Nacht-Mähre
Nacht.«
»Ich wollte dir schon seit langem für alles danken, was du für uns getan hast«, fuhr Irene fort. »Du hast Chamäleon überallhin mitgenommen, und du hast Dor die Sache viel einfacher gemacht.«
»Wir müssen eben alle tun, was wir können.« Das erinnerte Imbri daran, daß sie irgendwie im Besitz des Schlüssels zur Rettung Xanths sein sollte. Wenn sie doch nur klarer sehen würde!
»Ja«, meinte das Mädchen. »Alles, was ich bisher tun konnte, war herumzusitzen und abzuwarten. Ach, ich verwünsche mich selbst, weil ich solch eine Närrin gewesen bin! Ich hätte Dor schon seit Jahren heiraten können, aber ich habe einfach nur abgewartet, weil ich das Ganze für eine Art Spiel hielt. Jetzt, da es zu spät ist, erkenne ich endlich…« Sie brach ab und unterdrückte ihre Tränen.
Es hatte keinen Sinn mehr, ihr noch etwas vorzumachen. »Ich bringe dich gerade zu ihm«, sendete Imbri.
»Jetzt gerade? Aber…«
»In den Kürbis, zu deinem Vater und den anderen Königen. Ein kurzer Besuch. Aber du mußt vor Morgenanbruch mit mir zurückkehren, sonst bleibst du auch in der Kürbiswelt gefangen.«
»Ich kann ihn besuchen? Gleich ein paar Stunden lang?« Langsam begriff sie, was sie erwartete.
»Ein paar Stunden lang«, meinte Imbri.
»Ich… ich werde auch wirklich sein? Ich meine, stofflich? Und die Könige auch? Ich meine, nicht einfach nur so diffuse Geister und so?« Irene geriet ins Stammeln.
»Ja. Manche Wesen sind im Geist dort, andere auch körperlich. Wenn ich den Kürbis betrete, stellt meine Magie den Ausgleich her, du brauchst dir also keine Sorgen zu machen. Niemand kann körperlich in den Kürbis hinein oder wieder heraus, außer Nachtmähren und jenen, die dabei eine Nachtmähre berühren.«
»Na wunderbar, dann nichts wie los!« rief Irene froh.
Inzwischen war es dunkel geworden. Imbri erreichte das Kürbisfeld und sprang in das nächste reife Guckloch hinein. Hinter ihnen verschwand die Rinde, dann durchdrangen sie eine weitere Wand und kamen auf den Friedhof, wo die Skelette herumliefen. Eines der Skelette begrüßte Imbri winkend, dann betraten sie auch schon den Raum, den der Nachthengst den Königen zur Verfügung gestellt hatte.
Die Könige waren wach und erwarteten sie offenbar schon. »Irene!« rief König Dor erfreut.
Irene begrüßte erst ihren eigenen Vater, dann Dors Vater und drehte sich schließlich mit herrlich hübsch gerunzelter Stirn zu Dor um. »Diesmal entkommst du mir nicht!« sagte sie. »Wir haben unsere Ehe auf einem Friedhof begonnen, dann werden wir sie auch auf einem Friedhof vollziehen.«
»Das wird den Skeletten gar nicht gefallen«, murmelte er.
»Die Skelette brauchen ja auch nicht mitzumachen.« Doch sie gab immerhin so weit nach, daß sie sich von Imbri in ein abgetrenntes Zimmer führen ließ, das mit Kissen ausgelegt war. Als Imbri die beiden verließ, war bereits eine mittelschwere Kissenschlacht im Gange.
Eine gute Weile bevor es draußen in Xanth dämmerte, kehrte Imbri vom Grasen in den Raum der Könige zurück. Dor und Irene waren auch dort und unterhielten sich mit den anderen. Sie sahen glücklich aus. Im Raum lagen eine Menge Kissen herum; anscheinend hatte sich die Kissenschlacht ausgeweitet, wie das ja bei den meisten Konflikten war. Alle sahen befriedigt aus.
Irene hob den Kopf und erblickte die Mähre. »Ach, es ist Zeit zum Gehen, sonst merkt Mutter noch, was ich angestellt habe!« rief sie. Sie zupfte sich eine Kissenfeder aus dem Haar, gab Dor einen letzten Kuß und bestieg Imbri.
Draußen war es noch dunkel. Die Sonne fürchtete sich vor der Dunkelheit und kam deshalb immer erst heraus, wenn es schon hell geworden war.
Auf Schloß Roogna war König Arnolde bereits auf. »Habt Ihr Euch ausgeruht, Imbri?« erkundigte er sich.
Imbri bejahte.
»Dann muß ich Euch jetzt bitten, die Zentauren zu den Mundaniern zu führen«, sagte der König. »Sie stoßen nach Süden vor, umgehen die Region des Feuers und der Erde und kommen durch das Koboldland. Wir haben die Kobolde vor der drohenden Gefahr gewarnt, und sie haben versprochen, ihren Widerstand zu organisieren, aber wir wissen nicht genau, ob sie schon über die Mobilmachungsphase hinausgekommen sind. Es ist nicht leicht, Kobolde einzuschüchtern, aber die Mundanier sind hart, im Geben wie im Nehmen. In vergangenen Jahrhunderten waren die Kobolde noch schlimmer als alle Mundanier, aber damals waren sie auch noch zahlreicher und kriegerischer. Chem sagt, daß sie eine
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