Nacht-Mähre
auch. Es ist viel wahrscheinlicher, daß die Mundanier mit den Ogern ein Abkommen geschlossen haben, das ihnen Beute verspricht, wenn sie sich der Invasion anschließen.«
»Solche Abmachungen gibt es«, stimmte Imbri zu. »Zum Beispiel das Versprechen der Autonomie…«
»Versuchst du jetzt etwa, witzig zu sein, Mähre?« fragte der Zentaur in eisigem Ton. Anscheinend hatte die Verehrung der Zentauren für Pferde auch ihre Grenzen. König Arnolde hatte den Inselzentauren sofortige Autonomie gewährt und dabei bemerkt, daß es ohnehin keinen praktischen Unterschied mache, doch sie hatten keine sonderlichen Zufriedenheitsbekundungen von sich gegeben. Dieser Zentaur war wirklich reizbar und kämpferisch!
»Natürlich nicht«, widersprach Imbri, während sie die Ohren weiterhin nach vorn gestellt und den Schweif mit Mühe reglos hielt. Langsam lernte sie Disziplin. Die Gesellschaftspolitik Xanths zwang sie dazu, sich neue Fertigkeiten anzueignen. »Ich fürchte nur, daß wir gegen mehr als nur die Mundanier zu kämpfen haben werden. Als der Menschenkönig von Xanth um die Unterstützung anderer Wesen bat, haben die meisten sich gleichgültig verhalten, weil sie wohl der Meinung waren, daß dies ein reiner Krieg unter Menschen sei und sie nichts anginge. Es ist also durchaus möglich, daß es ein stillschweigendes Abkommen mit den Mundaniern gibt, welches es den Puniern gestattet, durch Ungeheuergebiet vorzustoßen, ohne angegriffen zu werden, sofern sie dort selbst keinen Schaden anrichten. Außerdem erscheint es denkbar, daß manche der Tiere sich sogar mit den Mundaniern verbündet haben. Ihr jetziger Anführer, der Reitersmann, hat es ja auch getan. Er ist ein xanthischer Verräter.«
Der Zentaur spuckte verächtlich aus, als sie das Wort ›Verräter‹ erwähnte. »Wir werden es schon schaffen«, sagte er mit einer Zuversicht, von der Imbri nur hoffte, daß sie auch gerechtfertigt war. »Und jetzt laß uns allein. Wir brechen morgen früh bei Tagesanbruch auf.«
Imbri zog sich ins Schloß zurück, wo Chamäleon inzwischen wieder wach war. Sie wirkte weniger schön, dafür aber intelligenter. »Imbri, glaubst du, du könntest jemanden in den Kürbis mitnehmen, um die Könige dort zu besuchen?«
Imbri dachte kurz nach. »Ich glaube schon. Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Meistens ist es nur der Geist oder die Seele, die in den Kürbis kommt, aber ich habe ja schon einige Leute durch den Kürbis mitgenommen, wenn wir weit zu reisen hatten. Ich könnte dich zu deiner Familie bringen.«
»Ach nein, ich frage gar nicht meinetwegen, obwohl das in meiner anderen Phase für mich sicherlich eine Versuchung gewesen wäre. Ich dachte vielmehr an Irene.«
»An Irene?«
»Sie und Dor sind unmittelbar vor Dors Thronbesteigung getraut worden; er mußte die schweren Pflichten des Amtes meistern und in den Krieg ziehen. Er hatte nicht einen Augenblick für sich allein. Insofern ist Irene sozusagen schon zur Witwe geworden, bevor sie geheiratet hat.«
Oh! Imbri brauchte eine Weile, sich an die neuartigen, bisher ungewohnten und verwickelten Gedankengänge der Frau zu gewöhnen. Aber es stimmte: Es hatte keine Hochzeitsnacht gegeben. So etwas war den Menschen sehr wichtig. »Ich bringe sie zu ihm«, willigte Imbri ein. »Heute nacht noch, bevor irgend etwas dazwischenkommt.«
Chamäleon holte Irene. »Liebstes, Imbri möchte dich mal kurz mitnehmen.«
Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Ich kann Dor nicht allein lassen. Das weißt du doch. Wenn seinem Körper irgend etwas zustoßen sollte, kehrt er nie wieder zurück.«
Sie wußte nicht, worum es ging! Es sollte also eine Überraschung werden!
»Ich meine aber doch, daß du mitgehen solltest, Irene«, sagte Chamäleon. »Es wird dir guttun, mal für ein Weilchen aus dem Schloß zu kommen. Später wird alles noch viel anstrengender werden. Ich passe für dich auf Dor auf.«
Irene seufzte. Sie konnte Dors Mutter schlecht das Recht streitig machen, neben dem Körper ihres Sohnes Wache zu halten. »Wahrscheinlich hast du recht. Also gut, mache ich eben einen kleinen Ausritt. Aber nur dieses eine Mal.« Sie bestieg Imbri, und sie machten sich davon.
Es war noch nicht sehr dunkel, also ließ Imbri sich Zeit und nahm einen Umweg zum Kürbisfeld.
»Weißt du was, es ist doch ganz gut, mal rauszukommen«, gab Irene zu und blickte sich in der Gegend um. »Ich bin noch nie auf einer Mähre geritten. Kannst du wirklich auch durch Felsen und Bäume gleiten?«
»Nur bei
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