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Nacht-Mähre

Titel: Nacht-Mähre Kostenlos Bücher Online Lesen
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verraten und im Stich lassen! Sie würde es ihr nicht gestatten, ihn anzugreifen, sondern sie würde sie vielmehr dazu zwingen, sich mit ihm zu paaren.
    Und doch konnte sie dieser Auseinandersetzung nicht aus dem Weg gehen, denn die Mundanier würden schon bald eine Bresche in die Schloßmauer rammen und ihren Anführer befreien. Dann war Xanth erledigt: Der Pferdmensch würde die Geiselkörper der Könige kurzerhand töten und sich selbst zum König ausrufen, und es würde nur noch eine Versagermähre geben, ihm dieses Amt streitig zu machen. Wenn sie ihn überhaupt jemals ausschalten wollte, mußte sie es jetzt sofort tun.
    Imbri schwankte innerlich. Wenn sie Schloß Roogna betrat, würde sie Xanth mit größter Wahrscheinlichkeit an den Feind verraten; wenn sie es nicht tat, würde sie Xanth damit durch Nichteingreifen dem sicheren Verderben überantworten. Was sollte sie tun?
    Sie machte wieder kehrt. Es war besser, es wenigstens zu versuchen! Sie rannte auf das Schloß zu, entschlossen, zu tun, was sie zu tun hatte. Sie mochte zwar gerade rossen, aber ihr Verstand war dem eines Menschen ebenbürtig, und eine Menschenfrau konnte ihr Paarungsbedürfnis recht gut beherrschen, wenn es sein mußte. Imbri mußte sich ein für allemal entscheiden, ob sie ein zivilisierter König sein wollte – oder ein wildes, unbeherrschtes Tier. Im entmaterialisierten Zustand durchdrang sie den Graben, die Vegetation und die steinerne Mauer, um schließlich ins graue Innere des Schlosses vorzudringen. Ein Gespenst erblickte sie, winkte und verschwand. Dann herrschte völlige Stille. Sie begab sich in den Thronsaal – und da saß ihr Gegner, der Pferdmensch, mit einer goldenen Krone auf dem Kopf, und schlief, das Zepter in der Hand. Welch ein Ehrgeiz!
    Sie materialisierte und blieb stehen, um ihn zu mustern. Er war ein recht attraktiver Mann mit lockigem, hellem Haar, gut ausgeprägter Muskulatur und jenem dünnen Messingreif am linken Handgelenk, der sein einziger Schmuck war. Doch obwohl er ruhte, spielte ein grausamer Zug um seine Oberlippe. Er war alles andere als ein angenehmer Mensch.
    Es würde so leicht sein, ihn jetzt auf der Stelle zu töten! Dies war der Feind, der ganz Xanth wie eine Plage heimgesucht hatte, dessen grausame Sporen sie gepeinigt hatten – sie konnte ihn voller Freude umbringen und würde sogar noch eine gerechte Tat damit vollbringen.
    Doch zuvor mußte sie ihm sein Geheimnis entringen, damit sie die anderen neun Könige Xanths befreien konnte. Jetzt war der entscheidende Augenblick gekommen – aber sie wußte noch immer nicht genau, wie sie vorgehen sollte.
    Als sie in ihrer Unsicherheit auf ihn blickte, erwachte der Pferdmensch und sah sie sofort.
    »Na endlich!« sagte er, und er wirkte keineswegs beunruhigt. »Dann bist du also schließlich gekommen, König Mähre.«
    Er wirkte so selbstsicher! Imbri wußte, daß dieser schreckliche Mann sie nicht besteigen konnte, solange sie wachsam blieb. Doch selbst wenn ihm dies durch irgendeine List gelingen sollte, würde er nicht lange etwas davon haben, weil sie jederzeit entmaterialisieren konnte. Er würde vielmehr sehr hurtig absteigen müssen, damit sie ihn nicht in den Kürbis brachte und ihn den Königen auslieferte. Dann würde er niemals in Xanth die Herrschaft an sich reißen! Sie konnte ihn angreifen, während er nicht das gleiche mit ihr tun konnte, nicht einmal unter Gebrauch seines besonderen magischen Talents. Sie war eins der wenigen Geschöpfe, über die er keine Macht hatte. Deshalb war sie ja auch hier. Das mußte er doch wissen! Warum wirkte er da so unbekümmert?
    »Wie, keine Träume mehr, Imbri?« fragte er fröhlich. »Da machst du dir all diese Mühe, um mich zu besuchen, und dann sagst du kein Wort?«
    »Ich bin gekommen, um die Kette zu sprengen«, sendete sie und versuchte dabei gleichzeitig, die angsterfüllte Ehrfurcht, die sie bei seinem Anblick noch immer empfand, niederzukämpfen. »Wie kann ich die Könige aus deinem Zauber lösen?«
    »Gar nicht, Imbri! Diese Könige gehören der Vergangenheit an. Ich bin der nächste und letzte König Xanths, wie du ja auch deutlich erkennen kannst.«
    »Keineswegs. Ich bin der gegenwärtige König von Xanth«, sendete sie, und ihr Pferdezorn wuchs. »Ich werde dich lieber zu Tode trampeln, ehe ich es zulasse, daß du den Thron usurpierst!« Sie machte einen Schritt nach vorn.
    Der Pferdmensch winkte verächtlich ab. »Also läßt sich das Problem darauf reduzieren, wer von uns beiden der

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