Nacht-Mähre
und scharrte mit einem Vorderhuf über den Boden. Dann ließ er seinen Schweif heftig umherpeitschen, obwohl nicht eine Fliege in der Nähe war, machte auf zwei Hufen kehrt und trabte davon, um eine Weide und einen Ruheplatz zu finden.
»Es ist leicht, eine hübsche Frau zu mögen«, bemerkte Grundy etwas wehmütig. »Selbst wenn man ein Pferd ist.«
Und es war auch leicht für eine Mähre, einen solchen Hengst zu mögen, dachte Imbri insgeheim. Er war doch solch ein schönes, nettes, hilfsbereites Tier. Wenn er doch nur etwas intelligenter wäre!
7
Die erste Schlacht
König Dor erwartete sie bereits. Ernst lauschte er ihrem Bericht und notierte sich sorgfältig die Zahl und Bewaffnung seiner Gegner, die Ichabod ihm meldete. Imbri war erstaunt, als sie merkte, wie gut der mundanische Gelehrte alles beobachtet hatte. Anscheinend wußte Xanth nun mehr über die Mundanier, als die Mundanier über Xanth wußten.
»Die karthagischen Söldnertruppen waren… äh, sind zweifellos schlagkräftige Kämpfer«, schloß Ichabod seinen Bericht. »Sie hatten ausgezeichnete Führer und waren es gewohnt, ohne große Unterstützung aus ihrer Heimatstadt selbständig zu operieren. Sie beherrschten die westliche Hälfte des Mittelmeers, und selbst die Römer waren im allgemeinen nicht dazu fähig, sie im Kampf zu besiegen.« Er machte eine Pause. »Aber ich schweife ab, wie ich es so häufig tue. Worauf ich hinaus will, das ist die Tatsache, daß wir es hier mit ernst zu nehmenden Feinden zu tun haben, die ihre Gefangenen gern ihrem blutrünstigen Gott Baal Hammon opfern. Ihr dürft nicht zulassen, daß sie auch nur einen Schritt weiterkommen. Ich liebe es nicht, Gewalt zu predigen, aber ich sehe auch keine Möglichkeit, dieser Gefahr mit friedlichen Mitteln erfolgreich zu begegnen.
Zum Glück haben sie keine Waffen, mit denen wir unvertraut sind, möglicherweise mit Ausnahme des Verrats.«
Dor schüttelte ernst den Kopf. In den drei Tagen seit ihrer letzten Begegnung schien er gealtert zu sein, obwohl er wenigstens etwas Schlaf gefunden hatte. »Ich hatte gehofft, daß es anders kommen würde, aber eine Welle bleibt nun einmal eine Welle. Wir werden mit den Mitteln kämpfen, die uns zur Verfügung stehen. Es bleiben also noch etwa sechshundert Nächstweller, die mit Schwertern, Speeren und Pfeil und Bogen bewaffnet sind. Eine solche Zahl würden wir normalerweise niemals besiegen können. Ich habe zwar die alten Soldaten aus König Trents ehemaliger Armee einberufen, aber ich zweifle an ihrer Kampfkraft. Was wir jetzt wirklich brauchen, das ist die Hilfe von einigen der wilden Tiere Xanths, etwa der Drachen. Sie haben uns auch schon früher in der Geschichte Xanths geholfen, wenn wir in Schwierigkeiten steckten. Doch bisher haben sie alle meine Vorschläge und Angebote abgelehnt. Ich glaube wohl, daß sie König Trent gegenüber etwas entgegenkommender gewesen wären, weil seine magische Kraft überzeugender wirkt als meine. Die Drachen scheinen zu glauben, daß sie nur davon profitieren können, wenn Menschen gegen Menschen kämpfen.«
»Die sollen nur warten, bis die Nächstweller erst einmal das Drachenland verwüsten«, knurrte Grundy, »dann werden sie schon sehen!«
»Dann kann es für uns schon zu spät sein«, meinte Dor. »Im übrigen geht es ja auch nicht nur um die Drachen. Die Kobolde, die ja eigentlich eher Menschen als Tieren gleichen, haben unserem Boten gesagt, er sollte seine Schnauze lieber irgendwo hinein stecken.«
»Die Kobolde wollen nicht einberufen und zum Kriegsdienst gepreßt werden«, projizierte Imbri, als sie sich an den letzten Alptraum erinnerte, den sie fabriziert hatte.
König Dor konzentrierte sich auf die Karte von Xanth. »Wir nehmen an, daß die Mundanier zunächst bis zu Schloß Roogna vorstoßen werden. Das Schloß liegt nämlich dort, wo sich in dem Land, welches sie zu erobern glauben, Rom befindet, so daß es ein naheliegendes Ziel ist. Leider haben sie in gewisser Weise sogar recht damit. Wenn sie nämlich Schloß Roogna einnehmen oder zerstören, verliert Xanth sein Zentrum des Widerstands. Drachenland und Koboldland befinden sich in Zentralxanth; wenn die Nächstwelle die Westküste entlangspült, wird sie diese Gebiete auslassen. Deshalb machen sich auch weder die Drachen noch die Kobolde allzu große Sorgen. Da die meisten Menschensiedlungen sich im Westen befinden, müssen wir die ganze Wucht des Ansturms ertragen.« Er strich sich mit einer Hand durchs Haar, das bereits
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