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Nacht-Mähre

Titel: Nacht-Mähre Kostenlos Bücher Online Lesen
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glatzköpfig, etwas dicklich und in mittleren Jahren, doch er hatte bereits ausgezeichnete Arbeit geleistet, indem er die Armee organisiert, den Nachschub gesichert und die große Truppe – immerhin einhundert Mann – erfolgreich mobilisiert hatte, und all das binnen kürzester Frist.
    Der Mann kletterte im Rücken König Dors den Hügel hinab, um die Position des Königs nicht zu verraten. Dann umging er die anderen Barrikaden und bestieg eine günstig gelegene Anhöhe. Dort legte er die Hände muschelförmig vor den Mund und rief in ausgezeichneter Militärlautstärke: »Mundanier! Abteilung halt!«
    Die Mundanier in der vordersten Reihe hoben die Köpfe, zuckten mit den Schultern und ignorierten ihn einfach.
    »Halt, oder wir greifen an!« rief der Anführer der xanthischen Truppen.
    Der Mundanier an der Spitze der Abteilung riß seinen Bogen herum, legte mit blitzschneller Bewegung einen Pfeil ein und schoß ihn auf den xanthischen General ab. Die anderen Mundanier jagten auf ihn zu.
    »Na ja, jedenfalls haben wir es versucht«, meinte König Dor bedauernd. Er gab dem General, der vor dem ersten Pfeil in Deckung gegangen war, ein Signal, worauf dieser den Angriffsbefehl gab. Die xanthischen Bogenschützen gaben ihre erste Salve ab. Die meisten der Pfeile trafen daneben, weil die Schützen entweder aus der Übung waren oder nur halbherzig vorgingen. Über zwei Jahrzehnte lang hatten sie gegen Ungeheuer gekämpft, nicht aber gegen Menschen, oder sie hatten sich mit kompliziert ausgetüftelten Kriegsspielen beschäftigt, deren Bezug zu echten Kriegen höchst zweifelhaft war. Einer der Pfeile traf aber dennoch einen Mundanier, wenn auch mehr oder weniger zufällig.
    »Blut!« kreischte die Harpyie hungrig.
    Endlich merkten die Mundanier, daß sie angegriffen wurden. Sie zogen sich wieder ans andere Ufer zurück, wobei sie ihre Körper mit Schilden schützten. Ein paar von ihnen stolperten, als sie rückwärts durch Wasser wateten, bekamen Wasser in den Mund und wurden zu Fischen.
    Nun waren die Mundanier zornig, wozu sie in gewissem Sinne ja auch Grund hatten. Sie stellten sich am anderen Ufer in Formation auf und gaben eine Salve Pfeile ab. Doch die verfehlte ihre Wirkung, weil die Xanther gut gedeckt waren.
    Da erschien Varsoboes, der karthagische Heerführer, vor der vordersten Linie, bis an die Zähne bewaffnet und in prächtiger Rüstung, wie es punische Tradition war. Er stellte einen gewaltigen Kontrast zu der bunt zusammengewürfelten Schar von Bogenschützen und Speerkämpfern dar, die er kommandierte. Imbri konnte seine Befehle nicht verstehen, aber ihre Wirkung auf die Mundanier war nicht zu übersehen. Sie formten eine Phalanx mit überlappenden Schilden und machten sich wieder daran, den Fluß zu durchwaten. Jetzt waren sie für die Bogenschützen so gut wie unangreifbar.
    Doch der xanthische Kommandant verstand etwas von diesen Dingen und ließ von starken Mannschaften bereits vorbereitete Felsbrocken den Abhang hinunterrollen. Einer davon rollte direkt auf die feindliche Formation zu, worauf die Mundanier auseinanderstoben. Diese Gefahr war also gebannt worden.
    Doch die Mundanier auf dem anderen Ufer waren inzwischen nicht untätig geblieben. Sie hatten ein großes Feuer entfacht – die verbrannten wirklich mit Vorliebe alles, was ihnen in den Weg kam! – und tauchten nun ihre Pfeile hinein. Dann schossen sie die brennenden Pfeile auf die Verteidiger ab.
    »Das gibt Ärger!« murrte Chet Zentaur. »Damit hätten wir rechnen müssen.«
    Wie recht er hatte! Das trockene Buschwerk ging in Flammen auf und zerstörte so binnen kürzester Zeit die xanthische Deckung. Soldaten liefen umher, um die Brände zu löschen, doch da nutzten die Mundanier auch schon die Verwirrung, um einen Frontalangriff zu starten. Zwar verschossen die xanthischen Bogenschützen ihre Pfeile jetzt mit mehr Ernst und Kampfeswillen, und tatsächlich ließen sie eine Reihe von Gegnern zu Boden gehen, doch das war nicht viel mehr als eine Geste. Schon bald stürmten die Mundanier mit gezückten Waffen die Barrikaden, und die xanthischen Soldaten flohen entsetzt. Die Niederlage schien unausweichlich.
    »Das lasse ich nicht zu!« rief König Dor. »Bring mich dorthin, Chet!«
    »Aber dann könntet Ihr getroffen werden!« protestierte der Zentaur.
    »Ich bin dem Tod schon öfter begegnet«, sagte der König ernst. »Und wenn du mich nicht dorthin trägst, gehe ich eben zu Fuß.«
    Chet zog eine Grimasse, zückte sein Schwert und

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