Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition)
was daran jetzt so spannend ist?« Koster runzelte die Stirn. »Warum sollte er nicht auf der Station sein?«
»Sag ich doch: Ohne mich wärst du verloren.« Sein Grinsen wurde noch breiter. »Also gut. Das Jungchen hatte gar keinen Dienst. Ich bin die Diensteinteilungen der letzten Tage durchgegangen. Er arbeitet nicht in der Nachtschicht. Und die Henke glaubte, jemanden im Zimmer gesehen zu haben, stimmt’s? Und sie hatte Angst. Und keine zwei Tage später ist sie tot. Punkt. Punkt. Punkt.«
»Da ist ja wohl ein Fleißkärtchen fällig«, sagte Koster vergnügt. »Das soll er uns erklären. Mal sehen, was er zum Tod von Gabriele Henke zu sagen hat. Den Spaß überlasse ich dir.« Koster wusste um Liebetraus Geschick in Vernehmungen. »Aber sieh zu, dass du ihn am Leben lässt.«
»Jau. Er sitzt bereits im Verhörzimmer.« Liebetrau pfiff leise vor sich hin, wandte sich ab und ging mit schweren Schritten voraus.
Koster blieb kurz auf dem Flur vor dem Vernehmungsraum stehen, blickte durch das Sichtfenster und musterte den Pflegeschüler in Ruhe. Philipp trommelte ungeduldig mit den Fingern auf der Resopalplatte des Tisches. Er sah verdammt jung aus. Seine dunklen Augenringe, die abgekauten Fingernägel und sein Untergewicht sprachen allerdings eher dafür, dass er schon viel erlebt hatte.
Koster folgte seinem Kollegen ins Verhörzimmer und stellte sich von innen gegen die Tür. Liebchen hatte sich dem jungen Mann gegenüber an den Tisch gesetzt und begann ohne Umschweife.
»Sie sind Philipp Michalik? Achtzehn Jahre alt? Ist das korrekt?«
»Was soll ich hier, Mann? Kein Ort zum Chillen.«
»Sind die Angaben korrekt?« Liebchens Ton klang eine Spur schärfer, und Koster schmunzelte innerlich. Wenn Liebetrau diese Richtung einschlug, blieb für ihn nur die Rolle des guten Cops. Vielleicht später.
»Ja, doch.«
»Sie wohnen bei ihrer Mutter, Fuhlsbüttler Straße?«
»Korrekt, Mann.«
»So. Sie werden als Zeuge zum Tod von Isabell Drost vernommen. Klar?«
Der Junge nickte.
»Sie sind Pflegeschüler im Universitätskrankenhaus. Was genau bedeutet Pflegeschüler?«, fragte Liebetrau.
»Das bedeutet, dass ich in der Pflege knechten muss, wenn ich nicht haufenweise Asche im Lotto gewinne.«
»Wie lange sind Sie schon in der Psychiatrie?«
»Kurz. Dachte, da könnte ich es ein bisschen ruhiger angehen lassen. Auf den Somato-Stationen is’ viel Action. Ist nicht so mein Ding.«
»Ach ja, was ist denn so dein Ding ?«
Koster fragte sich, ob es zu Liebchens Strategie gehörte, einfach zum Du überzugehen, oder ob er es nicht durchhielt, den jungen Mann zu siezen. Eine Strategie hatte er jedenfalls, da war Koster sicher.
»Ich cruise gerne durch die Nacht und halte Ausschau nach ein wenig Spaß und Bräuten. Lebensfreude nennt man das.«
»Ach ja. Und was hast du in der Nacht von Isabells Tod auf der Station gemacht? Nach welcher Braut hast du da Ausschau gehalten?«
»He, was soll das denn? Nach gar keiner.« Seine Stimme überschlug sich fast.
Koster sah, wie er seine schweißigen Handflächen an seiner Hose abstreifte. Langsam schien dem Pflegeschüler warm zu werden. Er ging hinter ihm auf die andere Seite des Raumes. Ein Auge des Jungen zuckte nervös, als er sich nach Koster umdrehte. Liebetrau feuerte die nächste Frage ab.
»Du bist gesehen worden. Was hast du dort gemacht?«
Philipp schwieg.
»Warst du bei Drost und Henke im Zimmer?«
»Nein! Scheiße. Ich war bei … hören Sie, ich komme in Teufels Küche, ehrlich, Mann.« Er wand sich auf dem Stuhl. Auf seiner Stirn glänzte Schweiß.
»Du bist in Teufels Küche«, herrschte Liebetrau ihn an. »Was glaubst du, was das hier ist? Bei wem warst du?«
»Ey, Mann, ich hab ein Alibi – oder wie man das nennt.«
»Ich höre.«
»Das dürfen Sie nicht den Docs verraten, ja? Sonst sag ich gar nix mehr.«
»Jungchen, wenn du Dreck am Stecken hast, ist der Oberarzt dein geringstes Problem.«
Der Pflegeschüler sackte etwas in sich zusammen und antwortete kleinlaut: »Ich grabe da ein bisschen an Kiana rum. Die ist eine total scharfe Braut.«
»Kiana?«
»Die Kleine aus Afghanistan. Sie ist … wir … wir hängen gerne zusammen ab, Mann.« Er schien zufrieden mit sich. »Fragen Sie sie.«
»Wann hast du die Henke das letzte Mal gesehen?«
»Als wir sie gefunden haben.«
Liebetrau blaffte: »Das ist nicht witzig. Wann?«
»Am Morgen. Bei der Medikamentenausgabe. Ehrlich.«
Koster hatte genug gehört. Sollte er ruhig ein bisschen
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