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Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition)

Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angélique Mundt
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er hat wundervolle Cello-Musik.«
    Nein, der Moment war verstrichen. Unsinnigerweise fühlte er sich enttäuscht. Sie gingen einen kleinen, von Bäumen gesäumten Weg entlang, der zwischen der Rückseite der Frauenklinik und dem Institut für Medizingeschichte lag. Plötzlich öffnete sich der Weg in eine kleine Lichtung, und sie standen vor einem Teich. Grüne Schlingpflanzen bewucherten den Rand der steinernen Einfriedung. Eine Bank lud zum Verweilen ein.
    »Wollen wir uns einen Augenblick setzen?«
    »Darf ich einmal ziehen?«, fragte Tessa mit einem schüchternen Lächeln und deutete auf seine Zigarette.
    »Sie rauchen doch gar nicht.« Er lächelte zurück. Vielleicht wollte sie eine Friedenspfeife rauchen.
    »Wir haben keine Verdächtigen, oder? Nichts, was uns erklären könnte, warum jemand Gabriele Henke das Leben nimmt.« Sie zog an der Zigarette und gab sie ihm nicht zurück.
    Koster machte sich schmunzelnd eine neue an. Definitiv eine Friedenspfeife. Er fühlte sich schon viel besser.
    »Das ist doch Wahnsinn. Erst Drost, jetzt Henke«, fuhr sie fort, zog die Füße auf die Bank und umschlang ihre Knie.
    »Wir?«, fragte er gespielt streng. »Sie gehen immer noch davon aus, dass der Tod von Isabell Drost kein Suizid war?«
    »Sie etwa nicht?«
    »Nein. Die Spurenlage und die Obduktion lassen keine andere Interpretation zu. Wir haben alles geprüft. Es tut mir sehr leid, aber Ihre Patientin hat sich das Leben selbst genommen. Ich bin noch nicht dazu gekommen, es Ihnen persönlich zu sagen.«
    Ihr Blick nagelte ihn förmlich an der Bank fest. Er musste sich zwingen, ihm standzuhalten. Als sie endlich weitersprach, war es wie eine Erlösung. »Ich will es wohl nicht glauben. Es muss irgendeinen Zusammenhang zu dem Mord geben!«
    »Im Moment sind alle verdächtig. Es könnte jeder gewesen sein, der Zugang zur Station hatte. Ich bin sicher, dass jemand etwas gesehen hat. Das kann nicht unbemerkt abgelaufen sein.« Er spekulierte weiter. »Glauben Sie, wir können so etwas wie eine Vollversammlung einberufen? Patienten und Personal? Dann könnte ich ein paar Fragen stellen, und vielleicht ergibt sich aus der Dynamik etwas.«
    Die Wolkendecke brach auf, und das plötzliche Sonnenlicht, das in den Zweigen der umstehenden Bäume spielte, hinterließ auf dem Wasser Lichtreflexe, die wie ein Tanz wirkten.
    Tessa lachte. »Ja, Dynamik kann ich Ihnen garantieren.« Sie stellte ihre Beine zurück auf den Boden und drückte die Zigarette aus. »Die war gut.«
    »Manchmal habe ich auch gute Ideen«, sagte Koster und grinste. Beide schwiegen und genossen für einen Moment die erste Wärme der Frühlingssonne, die einen Vorgeschmack auf den Sommer gab. Wieder kämpfte er gegen den Wunsch an, sie zu berühren.
    »Erzählen Sie mir etwas über Ihren Eindruck von Gabriele Henke. Was Sie glauben – nicht, was Sie wissen«, fragte Koster, um sich abzulenken.
    »Sie war unendlich einsam. Ihr Herz von einer alten Liebe belagert.« Tessa zog fröstelnd die Schultern hoch, und ihr Blick ging in die Ferne. Sie musste an ein Zitat von Camus denken, das ihr im Gedächtnis geblieben war: Mitten im Winter habe ich erfahren, dass es in mir einen unbesiegbaren Sommer gibt.
    »In Gabriele Henkes Leben gab es keinen Sommer«, sagte sie.
    *
    Oberarzt Neumann hatte Kosters Wunsch nach einer Vollversammlung rasch umgesetzt. Am späten Nachmittag strömten Patienten und Personal in den Aufenthaltsraum der Station. Die Atmosphäre war unruhig und seltsam aufgeheizt. Vielen Patienten schien die Nähe zueinander unangenehm. Koster nahm sich selbst da nicht aus. Einige der Patienten versteckten sich in den Tiefen der Sessel oder hinter den wenigen Grünpflanzen. Neumann bat zum wiederholten Male um Ruhe. Nur langsam erstarb das Getuschel. Koster ließ seinen Blick in die Runde schweifen. Am Fenster stand eine greise Frau. Barfuß. Sie redete gestikulierend auf einen imaginären Gesprächspartner ein. Wo waren ihre Schuhe, fragte er sich und versuchte seine Schultern zu lockern. Aus der Nackenverspannung waren heftige Rückenschmerzen geworden. Dieser Fall tat ihm nicht gut.
    »Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen die Kommissare Koster und Liebetrau vorstellen, die den Tod von Frau Henke untersuchen. Ich bitte Sie, gut zuzuhören und die Fragen der Herren zu beantworten.«
    Koster spürte schmerzhaft einen Ellbogen in der Seite und wirbelte herum. Ein ausgemergelter Typ mit Bart raunte ihm ein »Willkommen im Himmel der Hölle« zu und strich

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