Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition)
maßen sich mit Neumanns. »Wir wollen schließlich alle Fragen umfassend beantworten.« Er wandte sich Kurt Mager zu und ging mit ihm in den Behandlungsraum. Neumann drehte sich ruckartig um und stürzte davon.
Dem Patienten schien das peinlich. Er druckste herum und begann sich stotternd zu entschuldigen.
»Ist das Wattestäbchen sauber?«, fragte er dann.
Koster war verdutzt. Mit allem hatte er gerechnet, aber damit? Er versuchte sich an das zu erinnern, was Tessa ihm über Kurt Mager berichtet hatte.
»Es ist steril«, sagte er.
»Wie kommt die Spucke vom Wattestäbchen wieder runter?«
»Gar nicht. Man streicht das Wattestäbchen auf einen Objektträger aus und untersucht es sofort. Minimalste Zellen reichen unseren Kriminaltechnikern schon. Wenn Sie mehr wissen möchten, stelle ich Ihnen einen unserer Techniker vor.«
»Ich finde das so … so … eklig.« Seine Stimme kippte, und er begann zu lachen. »Entschuldigung, ich gehe jetzt das Wattestäbchen lutschen.«
»Ist gut.« Koster nickte ihm aufmunternd zu. Er mochte diesen Kurt Mager fast schon ein wenig. Er war auf seine Art charmant. Vielleicht war es das falsche Wort, aber er hatte etwas Liebenswertes …
Am Ende der Schlange sah er das junge Mädchen, welches an seinem ersten Morgen auf dem Gang gestanden hatte. War es wirklich erst eine Woche her? Es kam ihm viel länger vor. Er kannte inzwischen alle Patienten. Er wusste, dass sie Katharina hieß und ein Borderlinesyndrom hatte. Was das genau war, hatte er zwar nicht verstanden, aber dass sie sich selbst verletzte, um sich dafür zu bestrafen, dass sie ungeliebt war. Dass sie sich hasste, das hatte er begriffen. Er lächelte sie an. Und als ob sie seine Gedanken gehört hätte, lächelte sie schüchtern zurück. Fast wie ein unbeschwerter Teenager, der sie nicht war. Er hatte sich an die Psychiatrie gewöhnt. Sein anfängliches Unbehagen war aufrichtigem Interesse gewichen. Selbst der Geruch störte ihn nicht mehr. Und das konnte nicht nur an ›ihr‹ liegen. Er wusste gar nicht, warum er sich immer noch hier rumdrückte. Die Kollegen kamen wunderbar ohne ihn zurecht. Gut, wenn er ehrlich war, wartete er darauf, dass Tessa doch noch erschien. Wenn er an die letzte Nacht dachte, wurde ihm ganz flau vor Glück.
Gerade kam David Brömme an die Reihe. Er beobachtete jeden einzelnen Handgriff des Kriminaltechnikers, und als er den Mund öffnen sollte, fragte er neugierig: »Wie lange dauert es denn, bis das Ergebnis vorliegt?«
Der Techniker ließ die Hand mit dem Wattestäbchen sinken.
»Nur ein paar Tage. Wir beeilen uns. Versprochen.«
»Warum wollen Sie sich beeilen?«, fragte Brömme.
Der Techniker stutzte. »Na, damit Sie sich keinem unberechtigten Verdacht ausgesetzt fühlen.«
»Warum sollte man mich verdächtigen?«
Der Techniker schien vom Gesprächsverlauf überfordert und zuckte nur vage die Achseln. »Keine Ahnung.«
Brömme wirkte jetzt desinteressiert. Machte den Mund weit auf. Schloss ihn. Wartete auf weitere Anweisungen.
»Das war’s schon. Vielen Dank!«, sagte der Kriminaltechniker.
Brömme nickte und schlenderte aus dem Raum.
*
In Tessa brodelte das schlechte Gewissen. Eigentlich war sie ganz froh, dass sie freihatte, weil sie dann Torben nicht begegnen musste. Andererseits hätte sie auf der Station sein sollen, wenn er heute Morgen die Patienten und Belegschaft informierte, dass die Polizei Speichelproben von ihnen für einen DNA -Abgleich verlangte. Aber sie hatte erst ab mittags Dienst und war auf dem Weg zu Sascha, um mit ihm über die Studie zu sprechen. Dennoch. Es wäre so einfach gewesen, heute Morgen ein paar erklärende Worte zu sagen. Sie hatte geschwiegen. Gekränkt und verletzt durch seine Zurückweisung. Der Schmerz zog sich durch ihren ganzen Körper, und ihre Hoffnung war jäher Enttäuschung gewichen. Schließlich war er verheiratet. Warum war sie nur so naiv gewesen? Nicht darüber nachdenken, ermahnte sie sich, sonst würde sie anfangen zu weinen und nicht wieder aufhören.
Jetzt musste sie erst mal herausfinden, was mit der Studie nicht stimmte. Und danach, was mit ihr nicht stimmte. Sie straffte die Schultern und ging entschlossen die Straße entlang. Sascha wohnte im Schanzenviertel. Dort wollte sie ihn treffen. Sie war lange nicht mehr in seiner Wohnung gewesen. Zuletzt vor zwei Jahren? Vielleicht war es sogar länger her.
Das Schanzenviertel passte gut zu ihm. Oberflächlich betrachtet eroberten Single-Yuppies die Szene. Man wusste
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