Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition)
Getränke?«
»Der Tischdienst bringt immer zwei oder drei Kästen in den Aufenthaltsraum. Aber die Patienten wissen, dass sie sich auch selbst was holen können. Wieso?«
»An welchem Wochentag bekommen Sie die Getränkelieferung?«
»Da müssen Sie Schwester Mathilde fragen. Ich glaube dienstags.« Neumann stutzte. »Dienstag … der Tag, an dem Gabriele …«
»Genau. Alle Kästen waren gefüllt. Es fehlte keine einzige Flasche.«
»Was bedeutet das …?«, fragte Staatsanwalt Menzel irritiert.
»Das bedeutet, dass der Täter die Wasserflasche mit in den kleinen Lagerraum und zum Lastenfahrstuhl genommen hat. Er muss sie in der Hand …«
Neumann unterbrach ihn aufgeregt. »Wir dürfen nicht davon trinken.« Seine Stimme brach.
»Im Lagerraum waren alle Wasserkisten gefüllt«, sagte Koster. »Das Krankenhaus wird von einem im normalen Handel nicht käuflichen Hersteller beliefert. Die Flaschen sind also leicht zu identifizieren. Nur die Patienten haben diese Flaschen, denn …«
»… wir dürfen nicht davon trinken«, wiederholte Neumann und führte Kosters Satz weiter. »Sparmaßnahmen. Das Personal bringt sich seine eigenen Getränke mit. Alles unterschiedliche Flaschen. Die Glasflaschen sind nur für die Patienten. Es muss ein Patient … O Gott. Ein Patient von unserer Station. Ich habe es die ganze Zeit geahnt. Aber ich weiß doch nicht …«, wisperte Neumann.
»Wer? Welcher Patient ist es?« Koster rutschte ganz dicht an die Tischkante und durchbohrte Neumann förmlich mit seinem Blick.
»Ich weiß nicht … sie muss …«, stotterte Neumann.
»Er tat es im Affekt. Der Mörder hat es nicht geplant. Wer? Denken Sie nach, welcher Ihrer Patienten ist zu so etwas fähig?«
»Keiner. Sie sind … er war wütend … sie hat ihn vielleicht abgewiesen … nein, ich weiß es nicht.«
*
Die junge Katharina Waag riss die Tür auf und stand atemlos vor Tessa. »Mager und Brömme kloppen sich. Die Show sollten sie nicht verpassen.«
Tessa sprang auf und hastete mit Katharina den Flur hinunter in Richtung Dienstzimmer. Mitten auf dem Gang rangelten David Brömme und Kurt Mager miteinander. Drum herum tänzelten die anderen Patienten lautlos aus dem Weg, je nachdem, wohin sich die Kontrahenten bewegten. Es war ein ungleicher Kampf, denn Brömme war über zwanzig Jahre jünger und darüber hinaus wesentlich fitter als Kurt Mager.
Tessa hörte den Sozialarbeiter Holger Buchholz »Schluss jetzt!« rufen, aber niemand nahm davon Notiz.
Plötzlich stolperte Mager und fiel. Er versuchte sofort sich wieder aufzurappeln, aber Brömme hatte sich schon mit einem Schrei auf ihn geworfen und zerrte Mager an den Haaren.
»Fass mich nicht an, du tuntiger Knirps!«, keuchte Mager und versuchte sich aus Brömmes schmerzhaftem Griff zu befreien.
Einige Patienten kicherten. Den großen, schlanken und recht männlich aussehenden David Brömme als tuntigen Knirps zu titulieren hatte schon etwas unfreiwillig Komisches. Das schien Brömmes Wut nur noch mehr anzufachen.
Patrick Bollmus ballte die Fäuste und tänzelte, wie ein Schattenboxer Schläge in die Luft austeilend, vor den beiden auf und ab: »Hautse, hautse, immer auffe Plautze!«
Tessa starrte ihn sprachlos an.
Ineinander verkrallt wälzten sich Mager und Brömme auf dem Boden, versuchten sich zu treten und schlugen sich abwechselnd die Fäuste in den Leib. Brömme rammte Mager gerade seinen Ellenbogen in die Magengrube, als Tessa sich gefangen hatte und Brömme an der Schulter zog.
»David, lassen Sie ihn sofort los. Sofort!« Tessa schrie ihn an und packte seinen Arm. »Himmel, Schluss jetzt!«
Mager japste nach Luft und nutzte den Moment der Ablenkung, um Brömme einen rechten Haken mitzugeben.
Auch Buchholz schien jetzt den Mut gefasst zu haben, Tessa zu helfen. Er stellte sich zwischen die beiden und nahm Brömmes anderen Arm. »Komm, lass gut sein. Hast ja gewonnen …«
Brömme ließ von Mager ab. Der kam taumelnd wieder auf die Beine und versuchte, seinem jungen Gegner hinterherzukommen. Noch bevor er seinem Ziel nahe genug gekommen war, hatte Brömme sich Buchholz’ Griff entwunden und schickte Mager mit einem gezielten Kinnhaken erneut zu Boden. Magers Unterlippe platzte auf, und diesmal blieb er einfach stöhnend liegen.
»Es reicht!«, schrie Tessa. Plötzlich sah sie ein Taschenmesser in Brömmes Hand blitzen. Langsam näherte er sich mit stierem Blick dem auf dem Boden liegenden Kurt Mager.
»Tu’s doch!«, schrie Mager mit Tränen in den
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